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"Die Wut der Menschen ist groß"

Von Katharina Schmidt

Politik

Antritt bei der Nationalratswahl 2013 vorstellbar, aber ohne Parteigründung.


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"Wiener Zeitung": Wie beurteilen Sie den Zustand der Republik?Wolfgang Radlegger: Wirtschaftlich besser als anderswo, demokratiepolitisch schlechter als zum Beispiel in Deutschland.

Wo liegen die größten Probleme?

Das Parlament wurde auf eine Abstimmungsmaschine für die Regierung reduziert. Da muss man sich nur anschauen, wie das Sparpaket durchgepeitscht wurde oder wie es sich das Parlament bieten lässt, dass die Regierung befindet, wieviele Abgeordnete ihm angehören sollen. Eines der Hauptthemen des Demokratiebegehrens ist daher ein selbstbewussteres Parlament. In diesem Zusammenhang wollen wir auch das Wahlrecht personalisieren, damit das Mandat direkt vom Bürger bestimmt wird. Auch den Umgang mit Volksbegehren wollen wir ändern. Denn es herrscht oft eine resignative Haltung. Die Menschen glauben, sie können nichts tun, weil es ohnehin nichts nützt. Wir wollen ihnen eine Möglichkeit geben, etwas zu tun.

Warum sollte ausgerechnet Ihr Volksbegehren etwas nützen?

Wenn die Parteien nicht auf das Volksbegehren reagieren, dann wird man sie bei den Wahlen 2013 daran erinnern. Die Wut der Menschen ist sehr groß.

Die Entwicklung geht aber in die Gegenrichtung: SPÖ und ÖVP wollen den U-Ausschuss abdrehen.

Wenn sie das machen, dann ist das das beste Argument für unser Volksbegehren, um ihnen endlich einmal die Rute ins Fenster zu stellen. Ich bin kein junger, heißblütiger Naivling, der glaubt, das sei ein Selbstläufer. Es ist schwierig, aus dem Zorn Aktivität zu entwickeln. Wir kommen ja alle aus Parteien und wollen auch keine dritte Republik entwickeln, sondern wir wollen die Parteien dazu zwingen, das zu tun, wofür sie da sind: Den Stillstand zu beenden und in bestimmten Bereichen der Demokratiepolitik für saubere, transparente und akzeptable Verhältnisse zu sorgen.

Noch einmal: Wie wollen Sie das machen? Es sind schon viele derartige Initiativen im Sande verlaufen.

Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Das ist das umfassendste Demokratiepaket, das je zur Debatte gelangt ist. Das Begehren ist aber nur ein erster Schritt. Wenn wir genug Unterstützung bekommen, kann das bis zu einer Bewegung bei den Wahlen gehen.

Gründen Sie eine Partei?

Nein. Davon halte ich nichts. Neugründungen institutionalisieren sich dann in einer gleichen Weise wie die vorhandenen und machen früher oder später die gleichen Fehler. Ich glaube, dass es zu einer Auflösung der traditionellen Parteienlandschaft hin zu Gruppen kommen wird, die mit sach- und demokratiepolitischen Zielen versuchen werden, die Zivilgesellschaft zu gewinnen.

Aber wie sollen sich solche Bewegungen bei Wahlen abbilden?

Das kann bis hin zu einer Kandidatur führen. Im Innenministerium ein Statut einzubringen kann aber nicht die Antwort auf die heutige Situation sein. Solche Experimente sind nicht langlebig. Das sieht man an den Piraten in Berlin: Der Protest alleine schafft noch keine parlamentarisch ernstzunehmende Gruppe. Ich hoffe, dass es der Zivilgesellschaft gelingt, den Parteien klar zu machen, dass es so nicht weitergeht, weil sonst die Wähler in Richtung diffuser Protestbewegungen abwandern. Wenn die Parteien nicht lernfähig sind, werden sie von der Entwicklung überrollt.

"MeinOE" sammelt jetzt Unterstützungserklärungen, die Eintragungswoche ist aber erst im Herbst. Haben Sie nicht Angst vor einem ähnlichen Sättigungseffekt wie bei Androschs Bildungsvolksbegehren, wo die Zahl der Unterschriften hinter den Erwartungen zurückblieb?

Diese Sorge haben wir. Aber wir wollten verhindern, dass uns durch die gesetzlichen Fristen ein Termin Ende des Sommers angetan wird. Denn wir sind lästig für die Regierungsparteien, die uns als Nestbeschmutzer betrachten, der Strache in die Hände spielt. Wenn jemand Strache in die Hände arbeitet, dann die Regierungsparteien und nicht diejenigen, die aufzeigen, was falsch läuft.

Zur Person

Wolfgang Radlegger (64) war unter anderem Landesparteichef der Salzburger SPÖ und Landeshauptmann-Stellvertreter. Gemeinsam mit anderen (Ex-) Politikern aller Couleurs gründete er die Initiative "MeinOE", die ab heute, Freitag, und noch bis 15. Juni Unterstützungserklärungen für die Einleitung eines Volksbegehrens sammelt. 2011 erschien Radleggers Buch "Vom Stillstand zum Widerstand" im Brandstätter-Verlag.