Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiekrise würgen den deutschen Wirtschaftsmotor ab.
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Deutschlands Wirtschaft hat trotz schwieriger Rahmenbedingungen im zweiten Quartal dieses Jahres überraschend ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent geschafft. Grund zum Jubeln gibt es jedoch keinen, denn die Aussichten sind trüb. Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Preisexplosion drohen den Konjunkturmotor abzuwürgen.
"Verbraucher und Unternehmen leiden unter der Gaskrise, zumal die Konsumenten ihre Corona-Ersparnisse offenbar schon verbraucht haben. Wir erwarten für das zweite Halbjahr und das erste Quartal nächsten Jahres mehr denn je eine Rezession", sagt der Chefökonom der Commerzbank, Jörg Krämer.
Das Münchner Ifo-Institut geht davon aus, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal um 0,5 Prozent schrumpfen wird. "Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist schlecht", betont Ifo-Präsident Clemens Fuest. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der auf einer Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften beruht, sank im August zum dritten Mal in Folge und kam bei 88,5 Punkten zu stehen - der tiefste Wert seit Juni 2020.
Kräftiger privater Konsum
Im Frühjahrsquartal verhinderte noch ein kräftiger privater Konsum einen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Der Wegfall der Corona-Einschränkungen Ende März weckte die Reiselust der Deutschen und kurbelte die Ausgaben für Dienstleistungen, Beherbergung und Gastronomie an. Im Juni 2022 verbuchten die Beherbergungsbetriebe in Deutschland nach Angaben des deutschen Statistischen Bundesamts (Destatis) 48,9 Millionen Übernachtungen in- und ausländischer Gäste. Das waren um 60,5 Prozent mehr als im Juni 2021. Im ersten Halbjahr verbuchten die Beherbergungsbetriebe mit insgesamt 187,6 Millionen Übernachtungen um 146,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Trotz der weltweit gestörten Lieferketten haben Unternehmen aus Deutschland, der größten Volkswirtschaft der EU, im zweiten Quartal des laufenden Jahres um 0,3 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen exportiert als im ersten Quartal. Die Importe legten im Vorquartalsvergleich mit 1,6 Prozent aber stärker zu. Deutschland ist mit einem Anteil von rund 30 Prozent an den Exporten der wichtigste Handelspartner Österreichs: Von Ausfuhren im Wert von rund 165,5 Milliarden Euro entfielen im Vorjahr rund 49,9 Milliarden Euro auf Deutschland.
Lieferengpässe, gestiegene Preise bei Rohstoffen und Energie sowie die allgemein hohe Inflation belasteten Deutschlands Unternehmen und Verbraucher schon im vergangenen Jahr. Das deutsche BIP wuchs zwar um 2,7 Prozent, konnte damit aber nur einen Teil der Rezession aus dem ersten Corona-Jahr 2020 wieder wettmachen, als die Konjunktur um 4,6 Prozent eingebrochen war.
Wegen beständig steigender Gaspreise, Materialmangels und niedriger Flusspegel dürften es Unternehmer weiter schwer haben, sagt Alexander Krüger, Chefökonom der Aufhäuser Lampe Privatbank voraus. "Ungemach droht vor allem im Einzelhandel. Das Schwerwiegende ist, dass der dunkle Tunnel immer länger wird." Auch der Chef des Chemiekonzerns Lanxess, Matthias Zachert, sorgt sich: "Bleiben die deutschen Energiepreise auf dem derzeitigen Niveau, dann werden wir erleben, dass reihenweise Betriebe in Schlüsselindustrien schließen", warnte er im "Handelsblatt".
Industrie spart beim Gas
Unterdessen bemüht sich die deutsche Industrie, Energie einzusparen. Der Gasverbrauch von Industriekunden lag im Juli um rund 21,3 Prozent unter dem Juli-Mittelwert der Jahre 2018 bis 2021, teilte die deutsche Bundesnetzagentur mit. Im Juni sei der Wert um 13,6 Prozent, im Mai um 11,6 Prozent unter dem Vierjahresmittel gelegen. "Der Rückgang des Gasverbrauchs zeigt, dass wir es schaffen können, eine Gasnotlage abzuwenden", sagte Behördenpräsident Klaus Müller der dpa. (ede)