Das Risiko bei Übernahmen wird zunehmend auf den Verkäufer verlagert. | 2009 könnte eine Fusionswelle im Energie- und Finanzsektor folgen. | Wien. Der Wirtschaftsabschwung wirkt sich europaweit auf das Transaktionsverhalten der Unternehmen aus. Weil die Banken die Geldhähne immer fester zudrehen, mussten viele Betriebe in den vergangenen Monaten ihre Übernahmepläne über Bord werfen. Unternehmen mit einer gefüllten Kriegskassa agieren hingegen vorsichtiger denn je zuvor.
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"Wir erleben nicht nur rückläufige Bewertungen und Preise, sondern sehen auch, dass die Käufer risikoscheuer sind", berichtet Peter Huber, Leiter der Abteilung für Firmenübernahmen bei CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte.
Eine europaweite CMS-Analyse von 500 Transaktionen in den Jahren 2007 und 2008 zeigt auf: Die
Risikoscheue spiegelt sich vor allem in den Vertragsklauseln wieder, in denen versucht wird, das Übernahmerisiko vom Käufer auf den Verkäufer zu verlagern.
Schutz durch Klauseln
Besonders stark im Kommen sind sogenannte "Earn-outs" - Übernahmegeschäfte, bei denen der Kaufpreis von der künftigen Entwicklung des Zielunternehmens abhängt. "Ein Kriterium für den endgültigen Preis ist etwa der Verlauf des Umsatzes oder des Gewinns, der typischerweise über zwei bis drei Jahre nach dem Kauf unter Beobachtung steht", sagt Huber. Aktuell kommt diese Regelung zum Beispiel beim Verkauf der AUA an die deutsche Fluglinie Lufthansa zur Anwendung.
Um sich gegen ein instabiles Marktumfeld abzusichern, finden auch MAC-(Material Adverse Change)-Klauseln vermehrt Einzug in die Verträge. Sie räumen dem Käufer das Recht ein, den Vertrag im Fall eines Ereignisses mit wesentlichen negativen Auswirkungen zu annullieren. Das könnte der Fall sein, wenn etwa einem Telekomanbieter eine Lizenz entzogen wird oder sich durch Katastrophen wirtschaftliche Rahmenbedingungen verschlechtern. Die Aufnahme der MAC-Klauseln in die Kaufverträge hat sich laut der CMS-Studie zwischen erster und zweiter Jahreshälfte 2008 auf 21 Prozent verdoppelt.
Angesichts der Wirtschaftskrise spielen zudem Garantien eine noch zentralere Rolle. Dazu zählen etwa Bilanzgarantien - sie bestätigen die Richtigkeit der vorgelegten Bilanz beim Anteilskauf - oder Garantien über den Fortbestand wesentlicher Kunden- und Mitarbeiterverträge.
"Es ist zu beobachten, dass die Käufer versuchen, die Garantie-Laufzeiten auf 24 Monate oder mehr auszudehnen", so Huber. Gleichzeitig würden die Höchstsummen, die bei Garantieverstößen zu bezahlen sind, von früher zum Teil nur 10 Prozent auf oft 25 oder 50 Prozent des Kaufpreises ansteigen.
Aktive Energiebranche
Ein Wandel hat sich laut dem Experten nicht nur bei der Risikobereitschaft der Unternehmer vollzogen, sondern auch bei der Art von Transaktionen.
Im Gegensatz zu früher halten sich strategische Finanzinvestoren, die Unternehmen oft bereits nach einem Jahr lukrativ verkauften, eher im Hintergrund. Die Gründe: "Die Eigenkapitalrenditeaussichten sind derzeit niedrig. Es ist schwer, das erforderliche Fremdkapital aufzustellen", analysiert Huber. Für wahrscheinlich hält er in den nächsten Monaten ein weiteres Ansteigen der Übernahmeaktivitäten innerhalb des Energiesektors - vor allem bei Windenergie -, aber auch in der Finanzdienstleistungsbranche.