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Vorsitzender des Haushaltsausschusses im WZ-Interview. | Forderung nach mehr Geld für Kohäsionspolitik.
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"Wiener Zeitung":Wie hat Ihnen die Antrittsrede des österreichischen Ratspräsidenten gefallen?Janusz Lewandowski: Ich glaube, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist sich bewusst, dass er das Klima in der EU verbessern muss. Österreich muss das wieder gut machen, was im Vorjahr kaputt gegangen ist - teils durch das Scheitern der Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden, teils dadurch, dass Großbritannien auf seine inneren Angelegenheiten konzentriert war. Die Verantwortung, wieder Vertrauen in die EU bilden zu müssen, scheint Schüssel auf sich nehmen zu wollen.
Was erwarten Sie von den Verhandlungen über den Finanzrahmen für die Jahre 2007 bis 2013?
Österreich ist eines der Nettozahlerländer, die die Ausgaben der Union beschränken wollten. Ich mache mir also keine Illusionen, dass die Finanzverhandlungen einfach sein werden. Wir haben aber nicht viel Zeit: Bis März sollte die Einigung mit dem österreichischen Ratsvorsitz stehen.
Welche Chancen räumen Sie dem EU-Parlament ein, mehr Geld auszuverhandeln?
Es ist uns meist gelungen, etwas zu erkämpfen. So wurde 1988 das Budget um 3,5 Milliarden Euro erhöht. Wir erwarten, dass auch jetzt der Finanzrahmen höher sein wird. Uns gefällt der bisherige Vorschlag nicht, weil er Regeln der Solidarität bricht. Es ist derzeit in Mode, mehr Geld für Forschung und Wettbewerb zu verlangen. Das macht den neuen Mitgliedsstaaten keine Freude. Für die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit werden sich zweifellos ein paar Millionen Euro mehr finden. Doch dieses Geld wird nicht unbedingt nach Prag, Tallinn oder Warschau fließen. Weit schwieriger wird es sein, mehr Geld für die Regionalpolitik und Kohäsionsfonds - die etwa das Wohlstandsgefälle zwischen den Staaten reduzieren sollen - zu lukrieren. Dafür wären Milliardensummen notwendig.
Bis jetzt hat Bundeskanzler Schüssel aber nur von einem Verhandlungsspielraum in Höhe von einer Milliarde Euro gesprochen. Wird das dem Parlament reichen?
Wir erwarten nicht, dass er uns von Anfang an viele Milliarden nachwerfen wird. Dennoch können wir noch nicht über Zahlen sprechen. Die Österreicher werden nächste Woche ihr Verhandlungsmandat darlegen. Das wird für uns entscheidend sein: Wir brauchen ein klar umrissenes Manövrierfeld.
Sollte der Finanzrahmen nicht erhöht werden - wie wären die Konsequenzen etwa für Polen?
Die polnische Regierung hat nach der Finanzeinigung im Dezember unnötigerweise eine Erfolgspropaganda betrieben. Aber in Wahrheit war die Einigung ein taktischer und psychologischer Sieg der Nettozahler. Diese haben geschickt die Erwartungen ganz Europas so gesenkt, dass sich die ärmeren Länder nun über jede zusätzliche Milliarde freuen. Dabei würde Polen zwei Milliarden Euro weniger aus den Strukturfonds erhalten als noch vor einem halben Jahr im Kompromissvorschlag der Luxemburger vorgesehen war.
Können sich Parlament und Ratsvorsitz nicht einigen, wird das Budget von 2006 jährlich fortgeschrieben. Das würde mehr Geld bedeuten als im langfristigen Finanzrahmen vorgesehen. Würde das die neuen EU-Staaten freuen?
In den ersten Jahren wären die finanziellen Mittel höher. Doch mehrjährige Programme wären nicht planbar. Ohne eine Einigung auf den Rahmenhaushalt wäre eine Rückkehr zu einer sinnvollen langfristigen Regional- und Strukturpolitik sehr schwierig.
Was hieße dies für die innere Stärkung Europas?
In den letzten beiden Jahren ist es zu einer paradoxen Situation gekommen: Auf der einen Seite ist die Union erweitert worden, auf der anderen soll dafür weniger Geld verfügbar sein. Das politische Klima hat sich geändert. Früher war die Notwendigkeit der Unterstützung ärmerer Länder wie Spanien und Portugal nicht in Frage gestellt. Die 90er-Jahre waren eine Dekade der europäischen Solidarität. Diese Zeit ist jetzt vorbei.
Sind Übergangsfristen für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Staaten, auf denen unter anderem Österreich besteht, auch ein Zeichen mangelnder Solidarität?
Wir machen uns da wenig vor, dass Österreich die Übergangsfristen abschafft. Es ist ein Land mit einer Gesellschaft, die sich allzu sehr vor einem Ansturm von Osteuropäern fürchtet. Dabei wählen Polen nicht primär Österreich als Ziel. Die Ängste sind also übertrieben, aber sie sind nun mal vorhanden.
Zur Person
Der polnische Abgeordnete Janusz Lewandowski (wirtschaftsliberale "Bürgerplattform") gehört der Fraktion der Europäischen Volkspartei an. Der 54-jährige Wirtschaftswissenschafter wird mit Reimer Böge für das EU-Parlament die Finanzverhandlungen führen.