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Die Zeit der Tabubrüche

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Spindelegger will Volk über Neutralität abstimmen lassen. | SPÖ spricht von Verunsicherung. | Wien. Spät aber doch bewegt sich die Debatte um die Wehrpflicht hin zum eigentlichen Kern des Themas: Wie soll Österreichs Sicherheitspolitik künftig ausgestaltet sein? Dabei schrecken die Parteien auch nicht vor sicherheitspolitischen Tabubrüchen zurück. | Ex-Verteidigungsminister Scheibner: Neutralität ist seit EU-Beitritt abgeschafft | Lieber Sozialjahr als freiwillig zum Heer


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Den Anfang machte die SPÖ. Noch im Sommer war die Wehrpflicht laut Verteidigungsminister Norbert Darabos "in Stein gemeißelt". Die Wehrpflicht galt den Genossen als Garant dafür, antidemokratische Tendenzen im Heer wie anno 1934 zu verhindern. Die Kehrtwende brachte Wiens Bürgermeister Michael Häupl im Wiener Wahlkampf.

Die von Häupl losgetretene Debatte will nun Außenminister Michael Spindelegger, sicherheitspolitischer Mastermind der ÖVP und schwarzer Chefverhandler einer neuen Sicherheitsstrategie, "ohne Denkverbote" führen und rüttelt im "Kurier" am nächsten Tabu. Spindelegger schlägt vor, das Volk über die Neutralität abstimmen zu lassen.

Den Anlass zu diesem Vorstoß bot wiederum Michael Häupl, der eine engere militärische Kooperation mit den Nachbarländern zwecks Nutzung von Synergieeffekten vorschlug. Eine solche Kooperation - vor allem mit den Nato-Staaten - ist laut Spindelegger aber mit der Neutralität "nicht vereinbar".

Der Außenminister betonte, dass die ÖVP keineswegs für ein Ende der Neutralität sei. Weil aber zuerst diese Frage geklärt werden müsse, könnte sich die für Ende Februar angekündigte neue Sicherheitsdoktrin um Monate verzögern, so Spindelegger. Beim Koalitionspartner stoßen diese Überlegungen des Außenministers auf wenig Verständnis. Spindelegger betreibe Verunsicherung, wetterte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter am Mittwoch. Weder Nato noch Neutralitätsabschaffung seien Thema. Spindelegger - derzeit auf Auslandsbesuch in Neuseeland - solle an den Verhandlungstisch zurückkehren "zur Finalisierung der längst beschlussreifen Sicherheitsstrategie", so Kräuter.

Auch Verteidigungsminister Norbert Darabos stellte klar, trotz Abschaffung der Wehrpflicht denke er nicht daran, die Neutralität aufzugeben. Auch ein Nato-Beitritt stehe nicht zur Debatte - trotz gemeinsamer Übungen und Auslandseinsätze.

Aus Sicht der FPÖ klingt das wenig glaubhaft: zahlreiche SPÖ-Politiker hätten sich schon für eine Nato-Kooperation ausgesprochen. Außerdem: "Wenn die Wehrpflicht fällt, fällt auch die Neutralität", so FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

Nato für ÖVP keine Option, für BZÖ schon

Genauso sieht das auch das BZÖ, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Während Michael Spindelegger betont, dass für die ÖVP ein Nato-Beitritt heute keine Option mehr ist, fordern die Orangen genau diesen. Ohne eine Mitgliedschaft in einem Militärbündnis sei das vom BZÖ (ebenso wie von SPÖ und Grünen) angestrebte Berufsheer sinnlos, erklärte Bündnisobmann Josef Bucher am Mittwoch.

Schon mit dem EU-Beitritt und der Teilnahme an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hätte sich die Neutralitätsfrage erübrigt. Weil das mit der Beistandsgarantie im Vertrag von Lissabon geschaffene europäische Militärbündnis aber ein "militärischer Papiertiger" sei, bleibe Österreich nichts anderes übrig, als der Nato beizutreten, so Bucher.