Zum Hauptinhalt springen

Die Zeit der Verdrängung ist vorbei

Von Rainer Mayerhofer Wien

Politik

· Neue Generationen brauchen in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit nicht mehr die Strategie der Verdrängung, Verleugnung und Verharmlosung. Das bedeute einen ersten Schritt | der Versöhnung mit der Last der Geschichte, betonte die Grazer Historikerin Heidemarie Uhl Mittwoch bei der Eröffnung der dreitägigen Holocaust-Konferenz, die unter dem Motto "Die Lebendigkeit der | Geschichte" an der Wiener Universität stattfindet.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 25 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit sei in Österreich die Opfertheorie entstanden · nicht zuletzt gestützt auf die Moskauer Deklaration vom Oktober 1943, sagte Uhl. Als exemplarische Darstellung

dafür zitierte sie den Ausspruch des späteren Bundeskanzlers Leopold Figl, der bei der Enthüllung des Denkmales der Roten Armee am Wiener Schwarzenbergplatz wörtlich ausführte: "Sieben Jahre

schmachtete das österreichische Volk unter dem Hitlerterrorismus". Diese Opfertheorie, die bis zur Waldheim-Auseinandersetzung im Jahr 1986 gepflegt wurde, wurde u. a. auch durch die Leugnung der

breiten Zustimmung zum Anschluß und der Identifikation mit der Deutschen Wehrmacht in der unmittelbaren Nachkriegszeit untermauert. Die Errichtung von Denkmälern für die Opfer des Freiheitskampfes,

die Darstellung Österreichs als besetztes Land · ungeachtet der 688.000 NS-Parteimitglieder ·, das natürlich für die jüngste Vergangenheit keine Verantwortung hatte, passen in dieses Bild, das

Österreich für sein Image im Ausland nutzte. Die führende Rolle österreichischer Nazis in von Hitler-Deutschland besetzten Ländern und beim NS-Terror, wurde dabei unter den Teppich gekehrt. Nicht

gesetzte Maßnahmen der Entschädigung und die Entnazifizierung wurden dadurch geprägt.

Gleichzeitig gab es innenpolitisch · vor allen nachdem 90 Prozent der Ex-Nazis bei den Nationalratswahlen 1949 ihr Wahlrecht zurückbekommen hatten · großes Verständnis für diese Gruppe,

Widerstandskämpfer wurden in der Zeit des Kalten Krieges als Mittel kommunistischer Propaganda diffamiert, die Heimat bekannte sich wieder gern zu ihren gefallenen Söhnen, das Schlagwort der

"Soldaten, die unser Vaterland schützten und ihre Pflicht taten" wurde populär. Zur gleichen Zeit als wieder Kriegerdenkmäler eingeweiht wurden, wurden Denkmäler für die Opfer zerstört, sagte Uhl.

Erst die Auseinandersetzung im Präsidentenwahlkampf 1986 habe die Widersprüche des österreichischen Geschichtsbewußtseins bewußt gemacht. Uhl sprach von einer "Bruchlinie 1986". Seit damals werde die

Zeit des Nationalsozialismus als Teil der Geschichte gesehen. Dass die Zweite Republik moralische Verantwortung übernommen habe und alle Parteien · mit Ausnahme der FPÖ · sich bei den Opfern

entschuldigt haben, sei eine Konsequenz der Auseinandersetzungen um Waldheim. Die vielbeachteten Stellungnahmen von Bundeskanzler Vranitzky und Bundespräsident Klestil, die Einrichtung des

Nationalfonds für die NS-Opfer und die einstimmige Einführung eines Opfergedenktages am 5. Mai seien Meilensteine dieser Entwicklung.