Niederländische Tomatenzüchter mussten umdenken. | Konsumenten freuen sich über mehr Geschmack. | Hilversum. Niederländische Tomaten haben lange als der Inbegriff der Massenproduktion von Gemüse gegolten. Zu Recht, sagen heute sogar die Produzenten. Sie setzen inzwischen auf Klasse statt Masse und haben damit Erfolg.
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Fred Koevoet strahlt. "Der Schmackhafte Tom ist die leckerste holländische Tomate." Der Gemüsehändler aus Hilversum ist seit vier Jahrzehnten im Geschäft. In dieser Zeit habe sich das Angebot an Tomaten und vor allem ihre Qualität tiefgreifend verändert.
"Früher hatten wir acht bis neun Monate Tomaten. Jetzt haben wir Tomaten das ganze Jahr durch", so Koevoet. Das habe mit der ständigen Belichtung in den Gewächshäusern und mit der Zusammenarbeit der Produzenten mit spanischen Züchtern zu tun.
Noch vor wenigen Jahren waren niederländische Tomaten als der Inbegriff geschmackloser Massenware verpönt. Vor allem die deutschen Verbraucher - die wichtigsten Kunden der niederländischen Erzeuger - ließen die Hände von den "Wasserbomben".
Wenig beliebte
"Wasserkugeln"
Die Produktion, in den 80er-Jahren noch eine halbe Million Tonnen pro Jahr, sank auf 412.000 Tonnen 1996. Theo Bentvelsen gibt inzwischen bereitwillig zu, dass viele Tomaten von einst Wasserkugeln waren. "Der Geschmack wurde mit Zusatzstoffen wie Stickstoff, Kalium und Phosphor über das Leitungswasser zugefügt", sagt der ehemalige Verwalter einer Genossenschaft von holländischen Gemüseherstellern.
Viele Züchter hätten nur halb so viele Zusatzstoffe beigemengt wie für den Geschmack nötig. Die damaligen Tomaten seien rasch gewachsen, hätten aber weniger geschmeckt. Die Züchter hatten damals eine höhere Produktion pro Quadratmeter als heute.
"Die heutigen Tomaten sind kleiner, aber viel leckerer." Die Großhändler hatten damals große, feste Tomaten gewünscht, die lange haltbar waren. Sie wurden noch grün gepflückt - und das ging auf Kosten des Geschmacks.
Mehr Geschmack, mehr Vielfalt
Schon 1994 beschloss eine Gruppe von Züchtern, die Tomaten länger an den Stöcken zu lassen. Dann wurden sie an den Rispen gelassen und mit diesen verkauft. Auch Zwischenhändler Bert van Zijderveld schwört auf diese "Traubentomaten". Doch die Tomaten hätten nicht nur an Geschmack gewonnen. Vor allem gebe es heute eine große Vielfalt.
Nach der Krise steigt Produktion wieder
"Früher hatten wir nur Tomaten in den Qualitäten A, B und C. Heute gibt es rund 40 verschiedene Sorten." Der Produzent Red Star, der an sechs Standorten in den Niederlanden und einem in Spanien Tomaten anbaut, will sogar eine Tomate gezüchtet haben, die Krebs vorbeugt.
Im Rückblick ist die Krise der niederländischen Tomatenbauern heilsam gewesen. So sieht es jedenfalls Jan Opschool von der Branchenorganisation The Greenery. "Ohne sie hätte es eine solche Entwicklung des Sortiment nicht gegeben." Die Zahlen geben ihm recht. Die Produktion ist 2005 auf 608.000 Tonnen gestiegen. Davon geht fast die Hälfte nach Deutschland. "Das holländische Symbol für Frische hat wieder seinen Glanz zurück," sagt Willem Baljeu, Chef von Frugi Vent, der gemeinsamen Handelsplattform der Gemüseproduzenten. Die Zeit der Wasserbombe ist vorbei.