ÖVP und Grüne wollen im Ländle gemeinsam regieren. Auch weil heikle Themen warten können.
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Bregenz/Wien. Gemessen an ihrem Streben nach Macht sind die Grünen eine höchst erfolgreiche Partei, furchtbar normal zwar, aber eben auch ziemlich erfolgreich. In Vorarlberg ist es der Ökopartei nun gelungen, gleich drei Mitbewerber um die Regierungsbeteiligung aus dem Feld zu schlagen: Am Freitag kündigten Landeshauptmann Markus Wallner und Grünen-Chef Johannes Rauch die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen ab Montag an, nachdem die ÖVP bei den Wahlen die absolute Mehrheit verloren und die Grünen kräftig hinzugewonnen hatten.
Mit dem Ländle wären die Grünen dann in sechs Landesregierungen vertreten, die SPÖ kommt nur auf fünf, die ÖVP ist in acht Landesregierungen vertreten. Das ist für eine Partei, der man lange und oft ein zwiespältiges Verhältnis zur Macht nachgesagt hat, keine geringe Leistung. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass - unter der Vorgabe, dass Wallner und Rauch zusammenfinden - vier der sechs Regierungsbeteiligungen mit der einst verfemten Volkspartei eingegangen wurden. Schwarz-Grün, das war ja lange Zeit nur eine Träumerei gewisser bürgerlicher Kreise. Demnächst wird die gesamte Westachse von Oberösterreich bis Bregenz in diesen Farben regiert, während in Wien das einzige lupenreine rot-grüne Bündnis logiert.
Doch bis es so weit ist, müssen ÖVP und Grüne in Vorarlberg nicht nur wollen, sondern auch können. Die größten Brocken der in 15 Kapitel unterteilten Koalitionsverhandlungen dürften diese Woche aber bereits beiseite geräumt worden sein. Beide Parteien nahmen sich dafür drei Tage Zeit, bis sie eben am Freitag offiziell den Willen zu Partnerschaft verkündeten.
Tatsächlich haben sich die beiden Partner in spe beim heiklen Thema Verkehr auf eine Zauberformel geeinigt, mit der ÖVP und Grüne in den kommenden fünf Jahren leben zu können glauben. Der heftig umstrittene Stadttunnel Feldkirch soll ebenso fortgesetzt werden wie die nicht minder umkämpfte Autobahnverbindung im unteren Rheintal mit der Schweiz. Gegen beide Projekte liefen die Grünen im Wahlkampf noch Sturm.
Wer A sagt, muss nicht immer B sagen, finden die Grünen
Beim Feldkircher Projekt, wo die Umweltverträglichkeitsprüfung bereits läuft, geben Rauch und Co nun grünes Licht für den ersten Bauabschnitt, der verkehrstechnisch die Hauptentlastung bringen soll; die Bauarbeiten sollen 2016 beginnen und bis 2022 abgeschlossen sein. Budgetiert sind dafür 120 Millionen Euro. So weit der Kompromiss. Was den 2. Bauabschnitt angeht, der bis zu weiteren 120 Millionen Euro kosten soll, beharren die Grünen auf ihrem Nein. Die ÖVP kann damit leben, ist der Baubeginn hier doch erst für das Jahr 2021 vorgesehen, und bis dahin wird noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen - nicht zuletzt die nächsten Landtagswahlen 2019.
Sehr viel leichter fiel es Wallner und Rauch, die Gemeinsamkeiten in den anderen Bereichen herauszustreichen: Neue Schulden bleiben tabu, und bei Energie, Familien, Wohnen, Bildung und Infrastruktur wollen ÖVP und Grüne "große Zukunftsprojekte" stemmen. Allzu viel kosten dürfen diese allerdings nicht: Der finanziell Spielraum des Landes bleibt durch die dynamischen Kostenreiber Gesundheit und Pflege strukturell eng, zumal auch der Bund den Gürtel enger schnallen muss. Auch die neue Koalition wird sich also allerorten nach der Decke strecken müssen. Womöglich scheitert manch ambitioniertes, aber umstrittenes Projekt dann ja von ganz allein. Zeit löst bekanntlich viele Probleme.
Und es wird sich auch mit den Grünen in der Regierung nicht alles ändern: So wird es auch weiterhin keine Abtreibungen in den Landesspitälern geben.