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Dem NDR und Filmemacher Erich Fiedler ist es zu verdanken, dass in Deutschland derzeit Wunden aufbrechen, von denen sich viele eingeredet haben dürften, dass sie gar nicht existieren. Denn Fiedler erdreistete sich, für seinen Film "Der Sturz" Margot Honecker, Witwe von Erich Honecker und ehemalige Ministerin in der DDR, zu interviewen. Und Honecker tat darin das aus ihrer Sicht Erwartbare: Sie entschuldigte sich nicht für ihr Wirken in der DDR - sondern relativierte Themen wie Zwangsadoptionen und Mauerschüsse. Um es Wienerisch zu formulieren: Mehr hat sie nicht gebraucht. Nun ist in den deutschen Medien der Teufel los. Allen voran der konservative Springer-Verlag fährt mit Schlagzeilen wie "Riesenwut über Margot Honecker" oder "So lügt sich Margot Honecker die DDR schön" das große Geschütz auf. Sogar die Einstellung der Pension an die Ex-Politikerin, die in Chile lebt, wird gefordert. Am NDR wiederum wird kritisiert, dass er dieser Frau eine Plattform gab. Und genau das ist der Punkt, an dem es bedenklich wird. Der nämlich, dass es unstatthaft sei, eine historische Figur, an deren Worten offensichtlich Interesse besteht, zu interviewen. Zumal das Gespräch zusätzlich dokumentatorisch in ein neutraleres Licht gerückt wurde.
Kurz gesagt: Der NDR darf das nicht nur, es ist sogar seine Pflicht. Gerade die Heftigkeit der Diskussionen beweist ja zweifelsfrei, dass es offensichtlich enormen Aufarbeitungsbedarf an diesem Kapitel deutscher Geschichte gibt.