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Die zentrale Frage bleibt weiter unbeantwortet: Was will die SPÖ?

Von Brigitte Pechar

Analysen

"Ich nehme an, dass das nicht der letzte Schritt gewesen ist." So kommentierte Wiens Alt-Bürgermeister Helmut Zilk am Montag kurz nach Bekanntwerden die Funktionstrennung in der SPÖ. Und er fügte ein Grillparzer-Zitat an: "Auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben." Es sei mit "Noblesse" darauf verzichtet worden, Gusenbauer schon jetzt abzulösen. Tatsächlich dürfte es sich nicht nur um Noblesse gehandelt haben, sondern schlicht darum, dass das Präsidium vom kühlen Taktiker Alfred Gusenbauer überrumpelt worden ist. | Angesichts der wochenlangen Debatte um seine Person hat der Bundeskanzler die Flucht nach vorne angetreten und selbst die Funktionstrennung ins Spiel gebracht. Niemand der Ländervertreter oder des ÖGB in diesem Gremium wollte diese Lösung. Schon gar nicht Michael Häupl, der mit seinem öffentlichen Ultimatum zuvor Dynamik in diese Debatte gebracht hatte.


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Ein formaler Beschluss der Doppelführung wurde auch gar nicht gefasst, sondern der Gusenbauer-Vorschlag wurde nach heftiger Diskussion vom Präsidium zur Kenntnis genommen. Auch im Bundesparteivorstand kam mangels handelnder Personen - viele Mitglieder wollten oder konnten nicht länger als zweieinhalb Stunden warten - kein Beschluss zustande und schließlich findet sich im SPÖ-Statut nirgendwo ein Hinweis auf einen Geschäftsführenden Vorsitzenden. Dennoch ist es ein Faktum, dass Werner Faymann Geschäftsführender SPÖ-Vorsitzender ist und Gusenbauer sich auf seine Regierungsfunktion zurückzieht.

Diese Kompromisslösung gibt dem Kanzler jetzt einmal Zeit. Aber Zeit wofür? Was geschieht nach dem Parteitag am 8. und 9. Oktober, wenn Faymann gewählt ist? Die Sozialdemokratie sollte einmal in Klausur gehen und Selbstbild, Wunsch und politische Realitäten abklären.

Will die SPÖ die Linke Österreichs nach dem Vorbild Oskar Lafontaines sein, die Proteststimmen sammelt, aber für eine Regierungsbeteiligung nicht in Frage kommt? Oder orientiert sie sich an dem ÖVP-Modell der 70er und 80er Jahre, als die schwarzen Länder ihre Mehrheiten zu Lasten der Bundespartei ausgebaut haben? Diese Strategie scheinen die meisten roten Landesparteichefs zu bevorzugen. Sie haben Gusenbauer jetzt einmal halb demontiert und werden vermutlich ihren Oppositionskurs beibehalten.

Wenn die SPÖ aber eine staatstragende Partei bleiben will, darf sie politische und ökonomische Realitäten nicht ausblenden. Der Pragmatiker Faymann weiß das - wie übrigens auch Gusenbauer. Die Funktionstrennung hat am wahren Dilemma der SPÖ nichts geändert. Die Partei muss neue Lösungen für die neue Zeit suchen.

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