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Die zerrissene Partei

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Ted Cruz’ verwehrte Gefolgschaft für Trump zeigt die tiefen Gräben innerhalb der Republikaner. Diese sind kaum zuzuschütten.


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Cleveland. Falls es von vornherein die Absicht Donald Trumps gewesen war, von den Ereignissen des dritten Tags der Republican National Convention in Cleveland abzulenken, hat er sein Ziel erreicht. Während die US-Zeitungen am Donnerstag nahezu ausnahmslos Ted Cruz‘ Weigerung, zur Wahl des nunmehr offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Konservativen aufzurufen, auf ihre Titelseiten hoben, hatte der New Yorker Immobilienmagnat schon längst anderswo für Aufregung gesorgt.

Namentlich mit einem Interview, das Trump der "New York Times" gegeben hatte und in dem er so etwas wie die Leitlinien seiner Außenpolitik darlegte. Die steht unter dem Motto "America First" und lässt sich mit Worten wie isolationistisch und nationalistisch nur unzureichend beschreiben. Den Nato-Beistandspakt, der besagt, dass jedes Mitgliedsland jedem anderen im Fall eines Angriffs zu Hilfe kommt, will er als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte künftig nur mehr dann erfüllen, "wenn Länder ihren Verpflichtungen an uns nachgekommen sind".

Verständnis für Erdogan

Die USA würden es sich angesichts von 19 Trillionen Dollar Staatsschulden laut Trump schlicht nicht mehr leisten können, für die Sicherheit dritter zu garantieren. Darüber hinaus halte er es wegen der derzeitigen Situation im eigenen Land "für verfehlt, mit dem Zeigefinger auf andere zu zeigen" - eine Argumentation, die von den Anführern jedes autoritären Regimes der Welt im Mund geführt wird, wenn es darum geht, sich gegen Kritik von außen zu wehren. Für nämliche scheint Trump eine ausgeprägte Schwäche zu haben, wie sich im aktuellen Fall der Türkei erweist. Für Erdogans drakonische Maßnahmen nach dem überstandenen Militärputsch zeigte der Ex-Reality-TV-Star Verständnis.

Nun stellen all diese Positionen Trumps, der in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in Cleveland seine Nominierungsrede hielt, jetzt nicht wirklich eine Neuigkeit dar. Aber weil sie im Zusammenhang der Convention einer Partei formuliert werden, die sich bis vor kurzem noch als erste Verteidigerin abendländischer Werte im In- wie im Ausland sah, manifestiert sich in ihnen doch ein Paradigmenwechsel, dessen Folgen für Amerikas politischen Konservativismus noch völlig unabsehbar sind.

Das Trump’sche Dilemma legt die innere Zerrissenheit der Republikaner in einer Qualität offen, die in diesem Jahrhundert neu ist. Da stehen auf der einen Seite die durch Cruz repräsentierten Konstitutionalisten, die die amerikanische Verfassung geradezu sklavisch buchstabengetreu in die Alltagspolitik umgesetzt wissen wollen. Auf der anderen stehen die Trumpisten, die einem neuen Isolationismus a la "America First" das Wort reden und es als erste Aufgabe Washingtons erachten, Immigranten draußen und Jobs drinnen zu behalten - zur Not auch mit jener Art von protektionistischen Maßnahmen, die der Philosophie jener Fraktion, die in der Mitte steht - des traditionellen Establishments - diametral entgegensteht.

Die Tatsache, dass Trump angesichts seines beständigen Rückstands in den Umfragen und eines Elektorats, das erstmals zu rund einem Drittel aus den Angehörigen ethnischer Minderheiten besteht, wenig Chancen auf die Nachfolge Barack Obamas hat, heißt freilich nicht automatisch, dass seine Anhänger im Fall einer Niederlage von heute auf morgen verschwinden werden.

Nicht, dass die Republikaner im Vergleich mit den Demokraten nicht schon von jeher die bei weitem "fragmentierterte" Partei waren, die die verschiedensten Flügel einen musste, von den Hardcore-Gottesanbetern über die Handelskammern bis zu den Libertären. Auch deshalb schien es bis in die jüngste Vergangenheit, sprich bis zur Nominierung Mitt Romneys, unwahrscheinlich, dass sie jemals einen Präsidentschaftskandidaten aufs Schild heben wird, der so extreme Positionen vertritt wie Trump. Nach der Niederlage Romneys 2012 hatte sich das wichtigste Führungsgremium der Partei, das von Reince Priebus angeführte Republican National Council (RNC), zunächst noch so lebhaft wie glaubwürdig darum bemüht, die Partei neu aufzustellen. Moderner und attraktiver für Minderheiten sollte sie werden, allen voran für die wachsende Zahl der aus Lateinamerika stammenden US-Bürger. Aufgesetzt wurde dieser Plan freilich unter der Annahme, dass 2016 wieder ein Konsens-Kandidat vom Schlage Romneys auf dem Wahlzettel stehen würde.

Die Nominierung von Trump hat diese Bemühungen zerstört und die Republikaner für bestimmte Segmente der Bevölkerung de facto unwählbar gemacht - im Fall der Latinos möglicherweise gar auf Generationen hinaus.

Verliert Trump im November, hinterlässt er der Partei einen Scherbenhaufen. Was die amerikanische Innenpolitik angeht, wird es indes kaum etwas Spannenderes geben als zu beobachten, wessen konservative Vision sich in der Post-Trump-Ära durchsetzen wird. Ausgehend von dem, was in Cleveland geschah - die Forderung, Hillary Clinton einzusperren (Chris Christie), sie auf eine Ebene mit Luzifer zu stellen (Ben Carson), sie persönlich für alle Kriege auf der Welt verantwortlich zu machen (Newt Gingrich) - ist die Hoffnung, dass sich am Ende dieses Prozesses moderate Kräfte durchsetzen, realistisch gesehen gleich null.

Selbst die wenigen Leute, denen noch zugetraut wird, die auseinander strebenden Flügel zu vereinen - allen voran Paul Ryan, der angesichts des Status Quo schon jetzt als logischer Präsidentschaftskandidat für 2020 gehandelt wird -, werden sich warm anziehen müssen. Der Sprecher der Mehrheitsfraktion im Abgeordnetenhaus sieht sich seit seinem Amtsantritt als Nachfolger von John Boehner mit denselben Problemen konfrontiert wie dieser zuvor: Selbst bei Abstimmungen, in denen es um nicht weniger geht als darum, ob das Land weiter seine Schulden zu bezahlen bereit ist oder nicht, findet er ohne Zustimmung der Demokraten keine Mehrheiten, weil die unter dem Terminus "Freedom Caucus" zusammengefassten Abgeordneten die legislative Totalverweigerung für das einzig brauchbare Mittel der politischen Auseinandersetzung halten.

Gegenspieler Cruz

In Cleveland wurden die Repräsentanten nämlicher hinter den Kulissen noch einmal - vielleicht das letzte Mal - in die Schranken gewiesen. Ohne direkte Mitwirkung, aber unter dem ausdrücklichen Segen ihrer Lichtgestalt Ted Cruz, hatten die Vertreter der reinen konservativen Lehre versucht, die Regeln für Parteitage so umzuschreiben, dass von der Basis nominierte Kandidaten künftig leichteres Spiel haben als vom Establishment gepushte.

Priebus und die Seinen verweigerten sich dem ebenso, wie sie den Vorschlag der verbliebenen Anti-Trump-Aktivisten abschmetterten, die Delegierten nach freiem Wissen und Gewissen entscheiden zu lassen und nicht entlang der Wahlergebnisse in ihren jeweiligen Bundesstaaten. Cleveland ist vorbei, aber fix ist, dass Donald Trump auch nach dem Wahlgang im November im Gespräch bleiben wird. Und um das und nichts anderes ging es ihm am Ende noch immer. Die Schuld an einer etwaigen Niederlage kann er jetzt im übrigen ganz locker Ted Cruz anlasten.

Dossier zu den US-Wahlen