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Die Ziehharmonika des Weltfußballs

Von Matthias Nagl

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In Südafrika blieben die europäischen Teams in der ersten Runde hinter den Erwartungen. Das heißt aber nicht viel, der Weltfußball gleicht einer Ziehharmonika.


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Das Ende der ersten Runde der Gruppenspiele ist eigentlich nur ein beschränkt guter Zeitpunkt, um bei einer WM Bilanz zu ziehen. Doch da es der erste Zeitpunkt ist, an dem das einigermaßen seriös möglich ist, und Bilanzen dem menschlichen Wesen offensichtlich wichtig sind, bilanziert nun alle Welt.

Wir lernen dabei, dass Europa zurückfällt, Südamerika sehr stark, Nord- und Mittelamerika im Kommen und Asien überraschend solide ist. Die Afrikaner enttäuschten bisher. Betrachtet man ihre Ergebnisse aber isoliert, waren diese eher nicht überraschend. Der Gesamteindruck stimmt soweit natürlich, etwas fragwürdig ist er aber doch. Schließlich hatten die Teams in ihren bisherigen Spielen unterschiedlich starke Gegner.

Doch auch ganz abgesehen davon sollten keine langfristigen Schlüsse aus diesen Entwicklungen gezogen werden. Denn der Vergleich über mehrere Jahrzehnte zeigt: Die fußballerischen Kräfteverhältnisse verschieben sich von WM zu WM zwischen den Kontinenten ziehharmonikagleich. Die alle vier Jahre aufeinander folgenden Turniere lassen keine konstante Entwicklung erkennen, es geht schlicht und einfach hin und her.

Sicher, dass sich Asien in den vergangenen zehn Jahren nachdrücklich auf der Fußball-Weltkarte festgesetzt hat, war eine konstante Entwicklung. Umwehte Südkorea in den Neunziger Jahren noch der Hauch des Exotischen, war es keine Sensation mehr, als es in Südafrika mit Griechenland eine europäische Mannschaft dominierte. Dagegen bekommt der Befund, dass Afrika der kommende Fußballkontinent ist, langsam aber sicher einen Bart. Zumindest auf Nationalteamebene. Denn je mehr afrikanische Mannschaften an einer WM teilnehmen - heuer sind es erstmals sechs -, desto weniger Punkte holen diese in Relation zu ihrer Anzahl. So verstärkt sich der Eindruck, dass die afrikanischen Nationalteams in den 90er Jahren zur Weltspitze aufgeschlossen haben, mittlerweile aber stagnieren.

Zwischen Südamerika und Europa wogen die Kräfteverhältnisse hin und her. Dabei gilt als Richtschnur, dass die Europäer eher am eigenen Kontinent starke Leistungen zeigen. Für die südamerikanischen Teams ist der Veranstalterkontinent nebensächlich. Das nun diagnostizierte Erstarken lässt sich vor allem auf die verbesserte zweite Reihe hinter Argentinien und Brasilien zurückführen. Doch es ist erst die erste Runde gespielt, und die weiteren Spiele können alles umdrehen. In vier Jahren wird dann sowieso wieder alles anders sein.