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Die überdurchschnittlich hohe Inflation in den nächsten Jahren, die vor allem auf die Teuerung in den Bereichen Energie, Güter und Mieten zurückzuführen ist, wird sich mittelfristig auf das real verfügbare Einkommen auswirken.
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Marktkorrekturen sind in diesen Tagen schnell und heftig. So ließ zum Beispiel am 10. Februar positive Inflationsüberraschung bei den US-Gesamt- und Kerninflationsraten von 7,5 beziehungsweise 6,0 Prozent im Jahresvergleich die Renditen zweijähriger Staatsanleihen binnen eines Tages um 30 Basispunkte von 1,33 auf 1,63 Prozent steigen. Geopolitische Ungewissheit, der Abbau von Short-Positionen oder eine aktive Neupositionierung brachten die zweijährigen Anleihen kurz darauf dann wieder auf 1,50 Prozent. Der Silberstreif am Horizont, der sich aus solchen Momenten hoher Volatilität ergibt, ist, dass die Unsicherheit sinkt, wenn der Weg in die Zukunft zweifelsfrei wird. Form und Intensität der Zinserhöhungszyklen der Zentralbanken in den Industriestaaten werden sichtbar. Die monetären Reaktionsfunktionen werden transparent.
Der Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank Fed, der Bank of England und der neuseeländischen Zentralbank wird sich hauptsächlich über das Jahr 2022 erstrecken, mit wenigen zusätzlichen Erhöhungen im ersten Halbjahr 2023. Interessanterweise haben die Marktteilnehmer begonnen, die ersten Leitzinssenkungen der Bank of England für 2024 und 2025 einzupreisen. Das Gleiche gilt für die Federal Reserve, wenn auch in geringerem Maße. Die EZB wird im 4. Quartal 2022 mit der Zinserhöhung beginnen und im Laufe des Jahres 2023 ein gleichmäßiges Tempo anschlagen. Der endgültige Leitzins wird sich in den USA und Großbritannien auf 2,0 Prozent zubewegen, für die EZB rechnet der Markt mit 0,75 bis 1,0 Prozent.
Die Tatsache, dass die Märkte begonnen haben, die Zinssenkungszyklen der Zentralbanken in den Industrienationen und in den Schwellenländern einzupreisen, zeigt, dass der späte Konjunkturzyklus Sorgen bereitet. So überzeugen die Indikatoren für die deutsche Industrieproduktion oder die Handelsbilanz nicht, die Stimmung der US-Verbraucher bricht ein, und auch die vierteljährlichen BIP-Daten des Vereinigten Königreichs enttäuschen. Geldpolitische Bedenken machen Diskussionen und Unsicherheiten in Bezug auf die Haushaltsbelastung und Gegenwind durch die Verbrauchernachfrage Platz. Die überdurchschnittlich hohe Inflation in den nächsten Jahren, die vor allem auf die Teuerung in den Bereichen Energie, Güter und Mieten zurückzuführen ist, wird sich mittelfristig auf das real verfügbare Einkommen auswirken. In Verbindung mit weniger fiskalischen Stabilisatoren ist mit einer Verlangsamung des Wachstums in Richtung des Potenzialniveaus zu rechnen.
Gut verankerte langfristige Inflationserwartungen
Die oben beschriebene Tendenz zeigt die deutlichen Unterschiede zwischen heute und den 1970ern oder frühen 1980ern. Damals wurden die Inflationserwartungen durch anhaltende Angebotsschocks und ziellose finanzpolitische Großzügigkeit in Kombination mit einer erratischen Geldpolitik verschärft. Heute sind die langfristigen Inflationserwartungen von Unternehmen, Verbrauchern und Märkten nach wie vor gut verankert. Die fünf- bis zehnjährigen Inflationserwartungen der University of Michigan lagen zuletzt bei 3,1 Prozent, während dieser Wert in den 1970ern über 6 Prozent lag.
Es liegt auf der Hand, dass die Unternehmen bei der Weitergabe der gestiegenen Arbeitskosten mit erheblichen Problemen konfrontiert sind, da ihre Ausgaben für das Halten und Einstellen von Mitarbeitern auf der Suche nach Stabilität in den Talentpools steigen. Oft nehmen Unternehmen in hart umkämpften Märkten gestiegene Arbeitskosten durch geringere Gewinnspannen in Kauf, anstatt das Risiko einzugehen, diese an die Verbraucher oder Kunden weiterzugeben. Es ist zu erwarten, dass die Konsumgüterausgaben und die Beseitigung von Engpässen in den Lieferketten sich wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückbewegen werden. Der nächste wichtige Termin ist die Veröffentlichung des PCE-Kernindex zu den persönlichen Verbrauchsausgaben am heutigen 24. Februar. Im Jänner hat der für die Fed wichtige Inflationsindikator mit 4,9 Prozent einen neuen Höchststand erreicht. Die Schätzungen für Ende 2022 liegen zwischen 3,0 und 3,5 Prozent und stimmen mit den kurz-, mittel- und langfristigen Inflationserwartungen des Marktes überein.
Die marktbasierten Inflationserwartungen, die durch die Breakeven-Werte (Differenz zwischen nominalen und realen US-Treasury-Vergleichssätzen) erfasst werden, deuten auf eine solide Verankerung hin. Die Kurve der Breakeven-Werte hat sich im vergangenen Jahr umgekehrt und spiegelt die Normalisierung der Inflation im Laufe der Zeit wider. Dies ist ein starkes Signal. Die zweijährigen Inflationserwartungen lagen jüngst immer noch durchschnittlich bei 3,5 Prozent, die dreijährigen bei 3,2 Prozent, die zehnjährigen bei 2,5 Prozent und die dreißigjährigen bei 2,2 Prozent. Eine derartig langfristige Inflationsbeobachtung steht im Einklang mit einer erfolgreichen Fed-Zielsetzung einer stabilen Inflationsrate um 2,0 Prozent.
Nur noch 6 Prozent der Anleihen mit Negativrendite
Die obigen Meldungen mögen überraschen, da die Finanzmärkte seit Anfang 2022 stark gestört sind. Dennoch sollten Anleger diese Rückgänge zuweilen begrüßen. Abschläge in bestimmten Aktien- und Anleihesektoren sollten als willkommene Gelegenheit für langfristige Anleger betrachtet werden, sich neu zu positionieren und in Sektoren umzuschichten, die in der Vergangenheit zu wenig Aufmerksamkeit (und Gewicht) erhalten haben. Die zu erwarteten Erträge aus Anleihen und bestimmten Aktiensektoren sind in den vergangenen Wochen rasch gestiegen. Aktien sind die bevorzugte Anlageklasse mit langer Duration. Die aktuellen Korrekturen sollten also nicht zu Panik, sondern zu einem Moment der Besinnung führen. Wenn sie sich nicht negativ auf längerfristige Ziele auswirken, ist alles in Ordnung. Falls doch, wurde eine Überallokation vorgenommen.
Der Anteil der Anleihen mit negativer Rendite am Gesamtvolumen ist auf etwa 6 Prozent gesunken - kurz vor Weihnachten waren es noch mehr als 20 Prozent. Unverkennbar ist ein gewisses Wertgefühl in die globalen Rentenmärkte zurückgekehrt. Die aktuellen Rückgänge in allen festverzinslichen Sektoren deuten auf Erholungszeiten von sechs bis achtzehn Monaten hin, vorausgesetzt, die Renditen und Kreditspreads stabilisieren sich auf dem derzeitigen Niveau. Solche Aussagen sind auch deshalb zweifelsfrei, weil bei allen Anleihelösungen die künftige Wertentwicklung in den meisten Fällen bereits in den Preis einkalkuliert ist. Das Basisszenario geht von einer geringeren Volatilität der Finanzmärkte aus, die vor uns liegt.