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Die Konfliktpotenziale in der EU bedürften einer von den politischen Funktionären und Mandataren losgelösten Konfliktbearbeitung mit interdisziplinären Mediationsteams.
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Die Konfliktpotenziale sind durch die an sich begrüßenswerte rasche Erweiterung der EU gewachsen. Militärstrategische und wirtschaftliche Gesichtspunkte waren der Motor für die Ausdehnung nach Osten. Nationale Bedürfnisse, Empfindungen und Sichtweisen blieben unbeachtet, und deren Tiefenwirkung wurde unterschätzt.
Die Klärung der Ursachen aufgetretener und neu entstehender Spannungsverhältnisse zwischen EU-Organen und -Staaten, untereinander und auch innerhalb der Staaten bildet keine Maxime auf politischer Ebene und auch nicht in den Medien. Den politischen Funktionären und Mandataren steht abgesehen davon die Zeit zur Aufarbeitung von Konflikten nicht zur Verfügung. Auch ihre nationalen Verankerungen sind der Lösung der Konflikte hinderlich. Überdies kommt im Bewusstsein der Bevölkerung und deren politischer Repräsentanten den nationalen Interessen der Vorrang vor dem Gemeinwohl der Staatengemeinschaft zu.
Die Wurzeln von Konflikten reichen in der Regel in die Vergangenheit, sie potenzieren sich kontinuierlich und können nur mit Sachverstand und großem Zeiteinsatz gelöst werden. Schnellschüsse und politische Druckmittel sind nicht geeignet, nachhaltige Entspannungen zu bringen.
Hilfe der Staatengemeinschaft
Das oft gelobte Friedensprojekt Europäische Union darf nicht nur das Unterbleiben kriegerischer Handlungen bedeuten, sondern muss den Anspruch erheben, bestehende und neu auftretende nationale, ökonomische und soziale Gegensätze unter Beachtung der allseitigen Interessenlagen zu bereinigen. Staatsinterne Auseinandersetzungen wirken sich zumindest mittelbar auf die Staatengemeinschaft aus und können daher von der Einflussnahmen durch Gemeinschaftsorgane nicht ausgenommen werden. Die derzeitigen separatistischen Bewegungen in Europa veranschaulichen deutlich, dass die innerstaatlichen Organe den Problemen und deren Lösung nicht gewachsen sind und der Hilfe der Staatengemeinschaft bedürfen. Die derzeitige juristische Struktur der EU ist für Konfliktlösungen nicht geeignet. Daher stellt sich die Frage nach diesbezüglichen Veränderungen, die naturgemäß einen jahrelangen Diskussionsprozess erfordern.
Aus diesem Grunde wird im Folgenden ein Vorschlag unterbreitet, in der EU einen Mechanismus für Konfliktlösungen zu implementieren, der ohne Vertragsänderung schnell umsetzbar ist: Aus einem Pool europäischer Fachleute aller Staaten und aus allen geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen, denen weder in den Heimatländern noch in EU-Gremien politische Funktionen zukommen, sollten Konfliktmanagementteams von drei bis fünf Mitgliedern gebildet werden, die im Einzelfall zur Klärung und Bearbeitung von Problemfeldern sowohl von den Organen der EU und als auch den Staaten herangezogen werden können.
Ihre Aufgabe wäre die Herausarbeitung der unterschiedlichen Sichtweisen und der tieferen Ursachen gegensätzlicher Standpunkte sowie die Moderation des Meinungsaustausches. Ihre Beauftragung und die Teilnahme am Verfahren sollten freiwillig erfolgen, ihr moralisches und fachliches Gewicht sollte den Anreiz für ihre Beiziehung bilden und konfliktberuhigend wirken. Eine schiedsrichterliche Funktion, somit eine Entscheidungsbefugnis, sollte ihnen nicht zustehen. Ihre Konfliktbearbeitung sollte bei den Beteiligten zu einem Paradigmenwechsel führen und diesen selbst die Konfliktlösung ermöglichen. Vorschläge für die Bestellung, Organisation, Finanzierung und Arbeitsweise dieser Teams würden den Rahmen dieser Abhandlung sprengen.
Erst Mediation, dann Prozess
Vor der Anrufung eines Entscheidungsorganes, wie zum Beispiel des Europäischen Gerichtshofs, sollte obligatorisch ein Verfahren vor einem Konfliktmanagement- Team einzuleiten sein, erst nach dem Scheitern eines solchen Verfahrens innerhalb eines gewissen Zeitraumes, zum Beispiel nach drei Monaten, sollte das Entscheidungsorgan tätig werden können. Diese Frist sollte auch gelten, wenn ein oder beide Streitparteien sich nicht auf ein Verfahren durch ein Konfliktmanagement- Team einlassen.
Eine solche Vorgangsweise würde den Konflikt bremsen und versachlichen sowie die Entscheidung nicht von vorneherein auf ein Organ delegieren, dessen Entscheidung allenfalls keinen der Beteiligten zufriedenstellt und einen Verlierer zurücklässt - analog zu Gerichtsverfahren in privatrechtlichen Streitigkeiten. Das Unterliegen eines Staates in einer seiner politischen Leitlinie widersprechenden Frage verschärft nur den Konflikt und führt zu unkalkulierbaren Folgen innerhalb dieses Staates und in den gemeinschaftsstaatlichen Beziehungen.
Der Rückgang der Anzahl zivilgerichtlicher Verfahren infolge außergerichtlicher Streitlösungsverfahren sollte ein Indiz dafür sein, dass auch auf politischer Ebene neue Wege für Konfliktlösungen innerhalb der Staaten und der Staatengemeinschaft zu beschreiten sein werden. Mit den Konfliktmanagementteams könnte die EU auch auf außereuropäische Spannungsverhältnisse Einfluss nehmen und solcherart friedensgestaltend wirken. Ein "Made in Europe"-Gütesiegel also.