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Die Zukunft hängt von uns ab

Von Susan George

Gastkommentare

Zehn Jahre Finanzkrise: Die Regierungen haben uns im Stich gelassen. Die wachsende Ungleichheit hat unsere Demokratie geschwächt.


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Vor zehn Jahren begann mit der Pleite von Lehman Brothers die größte europäische Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Politiker aus allen Lagern fanden dazu viele besorgte Worte. Die Finanzmärkte, so wurde uns versprochen, dürften unsere Gesellschaft nicht länger dominieren. Doch ein Jahrzehnt später könnte die nächste Finanzkrise schon morgen wieder ausbrechen.

Der Finanzsektor ist weiterhin ein enormes Risiko für unsere Wirtschaft. Auch heute fließt nur ein kleiner Teil unserer Ressourcen in die "echte" Wirtschaft, die uns ernährt, kleidet und in der wir leben. Auch heute speist die enorme Ausbeutung unserer Umwelt und unserer Arbeitskraft den Reichtum und die Macht eines unregulierten Finanzsektors. Auch heute sind Kürzungs- und Verarmungspolitik die einzige Antwort auf die verheerende Krise, die durch eine übermächtige Finanzindustrie verursacht wurde. Die Armen zahlen für die Verbrechen der Reichen.

Seit vier Jahrzehnten hat der Finanzsektor stetig an Einfluss gewonnen, denn er ist für die Superreichen - vereinfacht gesprochen - die effektivste Möglichkeit, sich auf Kosten der Mehrheit der Menschen immer größere Teile des wirtschaftlichen Kuchens anzueignen.

Die wachsende Ungleichheit hat unsere Demokratie geschwächt. Wir wurden zu passiven Zuschauern bürokratisch-parlamentarischer Verfahren und der täglichen Routine liberaler Institutionen. Die Konzentration finanzieller Macht hat unsere Demokratie in einen kraftlosen Schatten ihrer selbst verwandelt.

Heute erkennen immer mehr Menschen, dass viele der aktuellen Krisen mit der ungebrochenen Macht des Finanzsektors zusammenhängen. Unsere Gesellschaft kann die Kosten seiner Exzesse nicht länger bezahlen. Den meisten Menschen ist bewusst, dass Wirtschaftswachstum nicht grenzenlos, der Klimawandel eine Bedrohung für unsere Zukunft und die enorme Ungleichheit mit einer friedlichen und intakten Gesellschaft unvereinbar ist. Aber dieses Wissen allein schafft keinen Wandel. Diese Erkenntnis führt - bedingt durch ein gegen Veränderungen immunes politisches System - viel eher zu Fatalismus oder Nihilismus. Doch wenn Menschen nicht mehr daran glauben, dass ein Wandel möglich ist, ist der Weg Europas in eine Katastrophe programmiert.

Veränderung "von unten"

Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten die Möglichkeit, all dies zu ändern. Heute ist es offensichtlich, dass eine echte Demokratie nicht von ihnen ausgehen wird. Wir müssen das selbst schaffen, gemeinsam, "von unten". Bürger in ganz Europa haben mobilisiert - von Occupy über Kampagnen gegen Steuerhinterziehung bis hin zu jenen, die Betrug und Korruption in unseren Institutionen aufdecken.

Sie haben erkannt wie, absurd es ist, dass die größten multinationalen Konzerne die Ressourcen des Planeten plündern, Dinge produzieren, die in Rekordzeit kaputt gehen, und dabei weniger Steuern zahlen als ihre Angestellten oder Kunden. Sie haben erkannt, dass ziviler Ungehorsam und Kreativität in diesen sehr gefährlichen Zeiten legitime Mittel sind, um Menschen Macht zurückzugeben.

Denn was ist angemessener als Ungehorsam, wenn Gesetze nicht das Ergebnis sachlicher Diskussionen zwischen Bürgern sind, sondern der Forderungen jener, die zu mächtig sind, um überhaupt an Gesetze gebunden zu sein?

Am 15. September sind es zehn Jahre, seit der Zusammenbruch von Lehman Brothers eine Büchse der Pandora geöffnet hat. Soziale Bewegungen in ganz Europa werden sich unter dem Slogan "Change Finance" mit zivilem Ungehorsam für die Demokratie einsetzen. Wir laden alle Menschen, die der Aufstieg der extremen Rechten, Intoleranz und Hass verängstigen, dazu ein, sich mit uns zu engagieren. Wir müssen das nächste Jahrzehnt nutzen, um den Finanzsektor unter Kontrolle der Menschen zu bringen.

Susan George wurde 1934 in Akron (US-Staat Ohio) geboren, seit 1994 hat sie die französische Staatsbürgerschaft. Als Politikwissenschafterin und Schriftstellerin befasst sie sich mit Armut, Unterentwicklung und Verschuldung der Dritten Welt und ist Mitbegründerin und Ehrenpräsidentin von Attac Frankreich.