Wie Ungarn übt sich Serbien im Spagat zwischen EU, Russland und China. Manche vermissen klare Worte aus Brüssel.
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Ein "hybrides Regime": Als die US-Bürgerrechtsorganisation Freedom House vor knapp zwei Jahren Ungarn so einschätzte, war es eine Herabstufung. Im Jahr zuvor galt der EU-Staat auf der Skala der "Länder im Wandel" noch als "halb-gefestigte Demokratie". 2020 war Ungarn dann das erste EU-Mitglied, dessen demokratisches System so schlecht bewertet wurde.
Es fand sich damit in derselben Kategorie wie Serbien. Und auch Kritiker der Regierungen in Budapest und Belgrad weisen auf Ähnlichkeiten zwischen den Staaten hin. Die Vorwürfe reichen von erschwerten Bedingungen für die Opposition über die Gleichschaltung von Medien bis zu ausgeprägtem Klientelismus. Der Fokus liegt dabei auf jeweils einem Mann, der im Laufe der Jahre seine Machtfülle ausgebaut hat: in Budapest Premier Viktor Orban, in Belgrad Präsident - und Ex-Premier - Aleksandar Vucic.
Beide stehen vor ihrer Wiederwahl am Sonntag. Denn nicht nur in Ungarn, sondern auch in Serbien sind die Bürger zu den Urnen gerufen, wo sie über den Staatschef und das Parlament abstimmen - und Vucics Sieg gilt als ausgemachte Sache.
Ernüchterung statt Euphorie
Ende März war der Präsident mit dem Zug unterwegs. Sein Reisebegleiter war Premier Orban. Die Politiker eröffneten eine Bahnverbindung, die teils mit Krediten aus China finanziert wurde. Nur wenige Monate zuvor besuchte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Vucic in Belgrad, wo ein Vertrag zu einem Autobahnbau unterzeichnet wurde.
Der Spagat zwischen EU, Russland und China, in dem sich Ungarn und Serbien versuchen, ist eine weitere Parallele zwischen den beiden Ländern. Ebenso wie die scheinbare Hilflosigkeit der Europäischen Union, autoritären Tendenzen Einhalt zu gebieten - wobei sich EU-Mitglied Ungarn in einer anderen Situation befindet als Beitrittskandidat Serbien.
Auf den ersten Blick könnte die EU einen Hebel haben: Immerhin strebt Serbien in die Union; Gespräche darüber laufen seit acht Jahren. Doch die langwierige Annäherung bringt Ernüchterung mit sich, die EU-Begeisterung ist verflogen. So hätten auch die EU-Beitrittsverhandlungen nicht mehr die ursprüngliche Relevanz, da sich die Menschen nicht mehr dafür interessieren, erklärt Aleksandra Tomanic, Leiterin der Stiftung European Fund for the Balkans: "Ein Fehler war, den politischen Prozess auf einen technischen zu reduzieren."
Geld in korrupte Strukturen
Hinterfragt werden kann ebenso die Art der finanziellen Unterstützung. Milliarden Euro fließen nach Südosteuropa, um den Ländern des Balkan bei Reformen zu helfen - was die jeweiligen Regierungen dann als eigene Errungenschaft bewerben oder zur Machtfestigung nutzen können. Tomanic formuliert es so: "Die EU stellt Mittel für den Bau von Autobahnen zur Verfügung, doch oft werden dadurch korrupte Strukturen in der ganzen Region noch weiter gestützt." Mit weniger Geld könnten etwa unabhängige Medien und die Zivilgesellschaft unterstützt werden, wie es das Konzept der EU ohnehin vorsieht.
Auf Kritik bei etlichen Aktivisten, Oppositionellen und Nichtregierungsorganisationen trifft auch, dass die EU keine klaren Worte gegenüber autoritären Tendenzen findet. "Die Zurückhaltung der EU ist skandalös", stellt Tomanic fest. Das sorgt für Enttäuschung bei jenen, die sich politisch engagieren. Tomanic erzählt von einem Treffen dutzender Aktivisten aus der Region im Vorjahr, bei dem zwei Tage lang diskutiert wurde. Die EU wurde dabei nicht einmal erwähnt.