In der modernen Meteorologie hat im vergangenen Jahrzehnt ein entscheidender Paradigmenwechsel stattgefunden. War die Disziplin der Klimatologie sehr lange geprägt von Mittelwerten, so beschäftigt sich nunmehr ein erheblicher Teil der Klimatologen mit Extremszenarien unseres Klimas der Zukunft. Die Synoptik (Kurz- und Mittelfristprognose) war bis in die 1990er Jahre von amtlichen Wetterberichten geprägt, wird aber heute zunehmend mit der Vorhersage extremer Wetterereignisse identifiziert.
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Stellt man nun, wie es nach jedem größeren Unwetterereignis durch Experten aller Art geschieht, den Zusammenhang zwischen extremen Klimaszenarien und der Extremwettersynoptik her, ist das Gebräu der Verwirrung und Verirrung perfekt. Es fällt unter den Tisch, dass extreme Wetterphänomene Teil auch eines vom Menschen unbeeinflussten Klimasystems sind. Wie extrem und schadbringend alltägliche Wetterphänomene sind, offenbart folgende beispielhafte Rechnung: Ein kleines Gewitter von 5x5 km Größe bringt 40 l/m² Regen. Dabei wird nach den Gesetzen der Thermodynamik mindestens eine Energie von 2250 Terajoule umgesetzt. Die Atombombe von Hiroshima setzte im Vergleich dazu 56 Terajoule frei.
Es ist in der täglichen Arbeit zunehmend schwierig, sich mit wissenschaftlichen Argumenten gegen den Zeitgeist zu stemmen, der besagt, dass jedes Unwetter mehr oder weniger direkt mit dem Klimawandel zusammenhängt, ohne als Klimaskeptiker abgestempelt zu werden. Das liegt auch daran, dass die Zusammenhänge zwischen Klima und Extremwetter alles andere als einfach und nahbar sind, sondern im Gegenteil oft zu (auflösbaren) Paradoxa führen.
Ein Beispiel: Die langjährigen Beobachtungen der Stationen im Alpenraum legen nahe, dass eine Eskalation nach den pessimistischen Szenarien des Weltklimarates erwartet werden muss. Neben dem allgemeinen Temperaturanstieg führen diese Szenarien in den nächsten hundert Jahren zu einer signifikanten Veränderung der Niederschlags-
charakteristik in den Alpen mit nasseren Wintern und trockeneren Sommern. Dennoch passt der Trend der vergangenen zwanzig Jahre zu mehr Hochwasserereignissen im Sommer in den Alpen genau dazu, was auf den ersten Blick abwegig erscheint. Das Paradoxon klärt sich dadurch auf, als dass höhere Temperaturen mit höherem Wasserdampfgehalt und mehr Sonnenschein im Zusammenhang stehen, der Trend also weg von mäßigen flächigen Niederschlägen hin zu Extremereignissen mit langen trockenen Phasen dazwischen geht.
Die Diskussion um das Klima ist nun schon so vom Zwang der Polarisierung getrieben, dass die Ergebnisse der Forschungen gegenüber dem, was sich medial oder politisch motiviert am besten verkaufen lässt, in den Hintergrund treten.
Manfred Spatzierer ist Ubimet-Chefmeteorologe in Wien.