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Wenn es um die Nato geht, sprechen Experten schon von einer "zweigeteilten Allianz". Dabei steht freilich nicht die heftige Weigerung der westeuropäischen Staaten im Vordergrund, der Ukraine und Georgien eine Beitrittsperspektive zum transatlantischen Verteidigungsbündnis zu gewähren. Sichtbar würde die Zweiteilung vor allem an der Haltung zum Einsatz in Afghanistan.
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47.000 Soldaten umfasst die Nato-geführte Isaf-Truppe am Hindukusch, aber sie ist bei weitem nicht stark genug, um die Lage zu stabilisieren. Laut einer CIA-Studie kontrolliert die Regierung von Präsident Hamid Karzai nur 30 Prozent des afghanischen Staatsgebietes. Deswegen appellieren die USA, die das größte Kontingent stellen, und Karzai selbst pausenlos an die Nato-Partner, mehr Truppen zu entsenden.
Allerdings weisen Analysten daraufhin, dass die Europäer ohnehin schon an der Grenze ihrer Möglichkeiten agieren. Sie sind nicht nur in Afghanistan tätig, sondern etwa auch im Kosovo mit einer 16.000 Mann starken Truppe. Manche Nato-Länder helfen zudem im Irak aus. Das verträgt sich schwer mit den europäischen Rüstungsbudgets, die jenem der USA weit hinterherhinken.
Aber nicht nur die militärischen Möglichkeiten und die Ausrüstungskapazitäten sind beschränkt. Laut einer Meinungsumfrage unterstützen nur 30 Prozent der Europäer Kampfeinsätze gegen die Taliban, in den USA sind dies 68 Prozent. Er sei besorgt, dass "manche Alliierte bereit sind, für die Sicherheit anderer zu kämpfen und zu sterben, und andere, die dies nicht sind", merkte US-Verteidigungsminister Robert Gates kürzlich an.
Afghanistan macht damit auch deutlich, dass die Nato seit dem Zusammenbruch ihres Gegenübers, des Warschauer Paktes, ihren neuen Weg noch nicht wirklich gefunden hat. Im von den USA proklamierten "Krieg gegen den Terror" schien sie zwar auf die Rolle des Weltpolizisten programmiert, aber die Europäer fühlen sich nun in ihren früh geäußerten Bedenken bestätigt, allein militärisches Vorgehen könne keine Probleme lösen.
Auf diese Position scheint nun selbst George W. Bush einzuschwenken. Die internationale Gemeinschaft müsse auch beim zivilen Wiederaufbau helfen, meinte der US-Präsident in Bukarest.
Manche Experten sehen in einem solchen "allumfassenden Zugang" auch eine Zukunftschance für die Nato. Bis darüber ernsthaft diskutiert wird, wird Bush wohl nicht mehr an der Macht sein. Im nächsten Jahr, in dem das Bündnis sein 60-jähriges Bestehen feiert, könnte aber auch die Amtszeit seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin noch zu kurz sein, um über langfristige Strategien nachzudenken. Es steht zu befürchten, dass auch der neuen Führung das Dringliche über das Wichtige gehen wird. Seite 7