Je höher der Rechnungszins, desto eher wird gekürzt. | 2007 brachte nur zwei Prozent plus. | Wien. Ein Drittel der 50.000 Pensionisten, die Leistungen aus einer Pensionskasse beziehen, musste letztes Jahr teils empfindliche Pensionskürzungen hinnehmen, schätzt Günter Braun, Sprecher des Schutzverbandes der Pensionskassenberechtigten. Der Start des Pensionskassensystems ist gründlich missglückt, meint Braun.
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Allein bei der VBV-Pensionskasse gab es 6000 Pensionskürzungen, das sind in ihrem Bereich mehr als die Hälfte. "Als Marktführer fühlen wir uns zur Offenheit verpflichtet", sagt VBV-Vorstand Karl Timmel. Die anderen Kassen hüllen sich in Schweigen.
Die Pensionskassen, als zweite, sichere Säule im Pensionssystem hochgejubelt, halten nur mit Einschränkung das, was sie versprechen. Die Unzufriedenen mehren sich, vor allem Pensionskürzungen scheinen nicht nachvollziehbar. Besonders ärgerlich: der Einzelne hat keine Möglichkeit, auf die Gebarung der Pensionskasse Einfluss zu nehmen, selbst gründliche Auskunft ist auf guten Willen beschränkt.
Denn Vertragspartner sind die Pensionskasse und der Arbeitgeber. Arbeitnehmer sind nur bei Vertragsabschluß indirekt durch den Betriebsrat beteiligt. Der Einzelne kann nur ja oder nein sagen - und das vorher; nachher ist ein Austritt nicht mehr möglich.
Dass eine Pensionskasse am Kapitalmarkt anlegt, ist bekannt. Dass es am Kapitalmarkt auch Verluste geben kann, auch. Aber warum bei einem positiven Ertrag dennoch eine Pension gekürzt wird, ist schwer zu verstehen. Aufschluss gibt höchstens ein Blick ins Kleingedruckte, aber auch das reicht oft nicht.
Geheimnisvolle Begriffe
Geheimnisvolle Begriffe haben sich die Erfinder des Systems einfallen lassen. Im Mittelpunkt steht der sogenannte Rechnungszins .
Um diesen Begriff dreht sich alles. Je höher der Rechnungszins, desto eher wird die Pension gekürzt. Wie das? Der Rechnungszins ist zwischen Pensionskasse und Arbeitgeber ausgehandelt. Er sagt aus, wie hoch der Ertrag der Pensionskasse sein muss, damit eine Pensionsleistung gegenüber dem Vorjahr unverändert bleiben kann.
Ist also zum Beispiel ein Rechnungszins von fünf Prozent ausgemacht, doch die Pensionskasse erzielt am Kapitalmarkt nur einen Ertrag von drei Prozent, so können die Pensionsleistungen - oder in der Ansparphase der Pensionsanspruch - gekürzt werden. Es sind also nicht nur rund 16.000 Pensionisten betroffen, sondern auch ein großer Teil der 500.000 Pensionsanwärter, deren künftige Ansprüche zurückgestutzt werden, ohne dass sie davon etwas merken.
Wer profitiert von einem hohen Rechnungszins? Zunächst der Arbeitgeber. Er kann seine Verpflichtungen gegenüber den Pensionisten auf den Kapitalmarkt verschieben, nämlich einen bestimmten Betrag erst durch einen - im Rechnungszins festgelegten - Kapitalertrag zu erzielen.
Je höher der Rechnungszins, desto höher die Erwartung in den Kapitalertrag, desto niedriger die Einzahlung durch den Arbeitgeber. Die Erwartung in den Kapitalmarkt ist vertraglich zwischen Pensionskasse und Arbeitgeber ausgemacht, das Risiko trägt der Versicherte. Und die Pensionskasse braucht nicht für höhere Pensionen in die eigene Kasse zu greifen, wenn der ausgemachte Ertrag in Höhe des Rechnungszinses nicht erzielt wird.
Damit nicht genug der verwirrenden Regelungen: Eine Pensionskassenregelung kann beitragsorientiert sein oder leistungsorientiert . Beitragsorientiert heißt: Der Arbeitgeber verpflichtet sich, einen bestimmten Prozentsatz der Lohnsumme oder einen Fixbetrag in die Pensionskasse einzuzahlen. Damit hat der Arbeitgeber seine Schuldigkeit getan, das weitere Risiko - etwa der Veranlagung - trägt der Berechtigte.
Leistungsorientiert heißt: Der Arbeitgeber verpflichtet sich zu einer bestimmten Pensionshöhe, also zu einer bestimmten Leistung. Das Risiko für die Einhaltung der Pensionsleistung trägt der Arbeitgeber.
Meist wird eine Mischform gewählt: Der Arbeitgeber garantiert zum Beispiel dem Arbeitnehmer den Eintritt in das Pensionskassensystem mit einer bestimmten Pensionshöhe. Ab dem Pensionsantritt übernimmt dann der Pensionist das weitere Risiko. Das Ansparen ist also leistungsorientiert, die Pensionsauszahlungen orientieren sich dann an dem bis dahin geleisteten Beitrag.
Boom der Neunziger
Die Misere mit dem hohen Rechnungszins und mit den Pensionskürzungen ist vor allem auf die Neunziger Jahre zurückzuführen, als die Börsen boomten. Damals waren Jahreserträge von sieben bis acht Prozent leicht zu erwirtschaften. So mancher Betriebsrat hat sich von der Gegenseite einlullen lassen und nicht bedacht, dass fünf Jahre Börseboom nicht ausreichen, um Pensionen für 50 Jahre abzusichern. Also wurden damals oft Pensionskassenverträge mit einem Rechnungszins von fünf bis sieben Prozent abgeschlossen.
Der Fachverband der Pensionskassen macht kein Hehl daraus: Bei einem hohen Rechnungszins sind die Pensionen am Anfang eben höher als gegen Lebensende, bei einem niedrigen Rechnungszins kann man eher mit steigenden oder gleichbleibenden Zusatzpensionen rechnen. Die Pensionssumme bis zum versicherungsmathematisch errechneten Lebensende bleibe die gleiche.
"Bei einem Rechnungszins von beispielsweise fünf Prozent ist wohl kaum mit einer regelmäßigen Inflationsabgeltung zu rechnen", räumt Christian Böhm, Fachverbandsvorsteher der Pensionskassen, ein.
2004 hat die Finanzmarktaufsicht beim Rechnungszins eine Obergrenze von 3,5 Prozent eingezogen. Die gilt aber nur für Unternehmen oder Arbeitgeber, die einen neuen Pensionskassenvertrag abschließen. Arbeitnehmern, die nach 2004 in ein Unternehmen mit einem älteren - meist schlechteren - Pensionskassenvertrag eingetreten sind, hilft das nicht.
Rund ein Drittel Aktien
Die Pensionskassen legen im Schnitt 30 bis 35 Prozent in Aktien an, den überwiegenden Teil in Anleihen. Letztes Jahr haben sie im schnitt magere zwei Prozent erwirtschaftet. Das ist schlecht, kritisiert die Beratungsfirma Mercer und fordert "Strategie statt Glück".
Der Mindestertrag, unter dem die Pensionskassen in die Pflicht genommen werden können, ist mit unter 1,5 Prozent pro Jahr sehr gering. Da müssen sich die Pensionskassen die Frage gefallen lassen: Wo ist der Anreiz für die Fondsmanager, optimale Ergebnisse zu erzielen? Die Kunden können ja - anders als bei einer Bank - nicht abwandern. Und wenn der Rechnungszins nicht erreicht wird - Pech für die Pensionisten, die Pensionskasse ist aus dem Schneider, wenn nur der Rechnungszins hoch genug angesetzt ist. Und wenn ein besseres Ergebnis erzielt wird, da kann man immer noch die Schwankungsrückstellung - also den Ausgleichstopf zwischen guten und schlechten Veranlagungsjahren - bedienen, bevor die Pensionisten mehr Geld bekommen.
VBV-Vorstand Karl Timmel verteidigt seine Leute: "Unsere Fondsmanager sind wie Rennpferde, jeder will der beste sein". Dem einzelnen Arbeitnehmer ist zu raten nachzufragen, wie hoch der Rechnungszins ist, den die eigene Firma mit der Pensionskasse abgeschlossen hat. Denn der hängt vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen Arbeitgeber und Pensionskassa ab, nicht vom Eintritt des Beschäftigten in den Betrieb oder in das Pensionskassensystem.