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Dick Cheney ist ein Mann, dem George W. Bush blindlings vertrauen kann. Der 59-jährige Geschäftsmann gehört seit mehr als zehn Jahren zum engsten Kreis der Familie des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers. Schon im April beauftragte Bush den früheren Verteidigungsminister seines Vaters deshalb mit einer Aufgabe, die zuvorderst Diskretion erforderte: die Suche nach einem Vize-Kandidaten für die Wahlen im November. Jetzt stellt sich allem Anschein nach heraus, dass in die Rolle der loyalen Nummer Zwei niemand besser passt als Cheney selbst - der perfekte Diener einer neuen Dynastie.
Am 30. Jänner 1941 als Sohn eines Beamten in Nebraska geboren, wuchs Cheney in Wyoming auf. Er gewann ein Stipendium für die Elite-Universität Yale an der Ostküste, brach das Studium dort jedoch nach wenigen Semestern ab. Seinen Abschluss in Politologie machte er schließlich an der Universität von Wyoming, wo er seine Jugendliebe heiratete. Sein Status als Student und die Geburt der ersten von zwei Töchtern bewahrten ihn vor dem Militärdienst in Vietnam.
Für eine politische Karriere entschied sich Cheney in den 60-er Jahren. 1968 kam er als Praktikant eines republikanischen Kongressabgeordneten nach Washington. Später arbeitete er für die Regierungen der republikanischen Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford, 1975 wurde er Stabschef im Weißen Haus. Zeitgenossen erinnern sich daran, dass er selbst in turbulenten Situationen stets gelassen blieb.
Die Amtszeiten von Jimmy Carter und Ronald Reagan verbrachte Cheney im US-Kongress, als Abgeordneter von Wyoming. Seine politische Linie war mindestens so konservativ wie jene des republikanischen Hitzkopfs Newt Gingrich. Anders als Gingrich galt er jedoch als Pragmatiker, der zwischen den Flügeln der Partei eher als Versöhner denn als Spalter wirkte. Sein Ansehen in der Fraktion war so groß, dass ihm eine Spitzenposition im Repräsentantenhaus winkte. Doch der ältere George Bush holte den Abgeordneten aus Wyoming 1989 als Verteidigungsminister in sein Kabinett. Cheney organisierte die Invasion Panamas und den Golfkrieg. Vier Tage nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait überzeugte er den saudi-arabischen König Fahd im August 1990 davon, die US-Armee in seinem Land aufmarschieren zu lassen.
Nach dem Wahlsieg des Demokraten Bill Clinton verließ Cheney die offizielle Politik. Er verdiente Millionen als Chef des Ingenieur- und Baukonzerns Halliburton und lebte seit November 1995 in der Nähe von Dallas in Texas. Vergangenen Freitag verlegte er seinen Hauptwohnsitz allerdings zurück nach Wyoming. Das ließ alle hellhörig werden: Die US-Verfassung verhindert, dass Präsident und Vizepräsident aus demselben Bundesstaat kommen.
Cheneys Beteiligung am Öl-Geschäft, mit dem auch Bush senior sein Vermögen verdiente, dürfte die Frage der Verflechtung von Big Business und Politik stärker in den Mittelpunkt des Wahlkampfes rücken. Sein Gesundheitszustand - er erlitt drei Herzinfarkte und musste sich 1988 einer vierfachen Bypass-Operation unterziehen - prädestiniert ihn nicht gerade dafür, den jüngeren Bush nach zwei möglichen Amtsperioden zu beerben, wie dies Vizepräsidenten normalerweise anstreben. Dies könnte aus Sicht der Förderer einer Bush-Dynastie ein Plus sein: Schließlich wartet bereits Bush-Bruder Jeb, der Gouverneur von Florida, in den Kulissen.