Schwedische Sozialdemokraten versprechen bei einem Sieg jedem seinen Butler. | Kopenhagen. England, nicht Schweden ist im internationalen Bewusstsein das Land der Butler. Und die Aristokratie, nicht die Arbeiterklasse gilt als Verfechter der Dienerschaft. Doch knapp vier Wochen vor den nationalen und kommunalen schwedischen Wahlen sind es die dortigen Sozialdemokraten, die Diener für alle versprechen.
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Wir wollen "Butler-artige Dienste im kollektiven Nahverkehr, die helfen sollen, Dinge zu erledigen - wie ein Conciergeservice", schlagen Ilija Batljan und Carin Jämtin, die sozialdemokratischen Spitzenkandidaten für Stadt und Kreis Stockholm, vor. Ob Medikamente aus der Apotheke abholen, Wäsche waschen oder einkaufen - morgens gebracht, abends gemacht, soll es künftig heißen. Auf dem Weg zur Arbeit den Wunsch dem Concierge mitteilen und auf dem Heimweg den Dienst erfüllt bekommen: Das sollte Arbeitsplätze schaffen. Wie viele, hat allerdings noch keiner geschätzt, und auch die möglichen Kosten sind noch völlig unbekannt.
Zwar ist kaum ein europäisches Land sozialdemokratischer geprägt als Schweden. Doch um die Macht in der Region Stockholm wieder zu erobern, will die Arbeiterpartei jeden zum König machen. Angebote, die bisher Besserverdienenden oder Besuchern von Luxushotels vorbehalten waren, sollen mit Hilfe der gemäßigten Linken demokratisiert werden.
Die Menschen hätten nämlich kaum noch Zeit, wirklich zu leben, finden Batljan und Jämtin. "Wir sollen Strumpfhosen kaufen und die Batterie der Armbanduhr wechseln, ein Paket abholen und die Medizin", schreiben die beiden in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Dagens Nyheter".
Obwohl die Politiker von "kollektiven Alltagsdiensten" sprechen, wollen sie mitnichten, dass der Staat Leute beschäftigt, die auf Steuerzahlerkosten anderen die Socken waschen. Die Dienste sollen letztlich von Privatunternehmen ausgeführt werden.
Serviceleistungen auf dem Bahnsteig
Allerdings gehört die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs in der Hauptstadtregion mitsamt der 100 U-Bahn-Stationen über die SL AG dem Kreis Stockholm. Daher kann die Politik befehlen, Serviceunternehmen direkt auf den Bahnsteigen anzusiedeln. "Noch können wir zu der Idee wenig sagen, weil wir sie noch nicht untersucht haben", meinte eine Sprecherin von SL. "Wenn die politische Mehrheit das will, werden wir das aber machen."
Die politischen Gegner, die konservativen Moderaten, argumentieren dagegen: Es dürfe nicht nur jenen geholfen werden, die mit der U-Bahn fahren. "Wir wollen allen Mitbürgern den Alltag erleichtern", sagte Sten Nordin von den Stockholmer Moderaten. Außerdem sei es doch etwas seltsam, dass die Sozialdemokraten gegen die Steuervergünstigungen für Haushaltshilfen wetterten, dann aber mit solchen Ideen kämen, heißt es bei der Regierungspartei.
Mit dem "Diener für alle"-Vorschlag hat die Partei jedenfalls alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Selbst Außenminister Carl Bildt, wohlhabender Bürgerlicher, konnte es sich nicht verkneifen, über die Idee zu lästern - auch wenn sie nicht in seinen Politikbereich fällt. "Während meiner doch recht langen Zeit in der Politik habe ich nie wirklich Bedarf in dieser Frage gespürt", bloggt er.
Befremden in derÖffentlichkeit
Die - an sich lokale - Stockholmer Idee wird breit diskutiert. Doch die meisten Reaktionen fallen alles andere als begeistert aus. Zum Lachen findet es der Kommentator der Zeitung "Svenska Dagbladet". Unter den hunderten Kommentaren auf den sozialdemokratischen Beitrag in der online-Ausgabe von "Dagens Nyheter" ist kaum ein positiver zu finden. Einer schreibt: "Diese Dienste gibt es schon. Man bezahlt selber für sie und wird von den Sozialisten Oberklasse schwein genannt."