In nur wenigen Ländern gibt es Dienstzeugnisse wie in Österreich.
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Wien. "Jeder sollte sich vor der Übersiedlung nach Österreich mit dem hiesigen Arbeitsrecht vertraut machen und seine Arbeitserfahrung in der Heimat dokumentieren", betont die Bulgarin Diana Angelova. Die 42-Jährige hat neun Jahre lang als Journalistin gearbeitet. In Österreich war sie in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. "Mein Arbeitgeber hat meine Berufsjahre aus Bulgarien nicht anerkannt - also bekomme ich wesentlich weniger Geld." Wenige Länder stellen wie Österreich Dienstzeugnisse aus. "In Bulgarien gibt es Arbeitsbücher, die Daten über Arbeitgeber, Tätigkeit und Dauer des Arbeitsverhältnisses beinhalten", erzählt Angelova. Eine genaue Beschreibung der Tätigkeit wie im Dienstzeugnis fehlt aber.
Der heimische Arbeitsmarkt ist geöffnet, die Menschen sind mobil, und die Komplexität des Arbeitsrechts - ist groß. Damit Einwanderer in Österreich kein schlechteres Gehalt bekommen und keine geringere Pension beziehen, gilt als Grundregel: Infos zum Arbeitsrecht sammeln, Jobsituation im Herkunftsland gut dokumentieren und mit dem österreichischen Arbeitgeber gut verhandeln.
Laut Gewerkschaftsbund basieren 97 Prozent aller Arbeitsverträge in Österreich auf einem Kollektivvertrag. Das Land ist Weltmeister mit mehr als 80 für verschiedene Branchen geltenden Kollektivverträgen. International gesehen sind die Voraussetzungen je nach Land verschieden. Ähnlich ist die Lage in Polen: Dort existieren 12.000 verschiedene Kollektivverträge, aber nur 50 umfassen auf nationaler Ebene eine ganze Branche. Manche regeln die Mindestgehälter nicht, andere enthalten keine Beschreibung der Qualifikation und berücksichtigen nicht berufliche Erfahrungen.
Ein Reichtum an Regeln eben - national wie international; keine leichte Aufgabe für Einwanderer, sich da zurechtzufinden. "Jeder sollte seine Dienstzeiten im Heimatland bereits im Bewerbungsprozess ansprechen", sagt Irene Holzbauer von der Abteilung Arbeitsrecht der Arbeiterkammer. Eine Einstufung in eine falsche Gruppe kann Gehaltsdiskriminierung bedeuten. Die meisten österreichischen Kollektivverträge kennen eine Anrechnung der Berufserfahrung, wenn sie für die Tätigkeit relevant ist. "Facheinschlägige Vordienstzeiten" werden angerechnet und bewirken ein höheres Gehalt. Holzbauer nennt als Beispiel den Handel, in dem viele Einwanderer tätig sind. Dort werden Vordienstjahre aus dem Ausland anerkannt, wenn man angestellt und nicht selbständig war. Diese müssen laut Kollektivvertrag für Handelsangestellte "nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden", ein übersetztes und beglaubigtes Dokument ist notwendig.
Anders verläuft die Anrechnung ausländischer Dienstjahre für Gesundheits- und Sozialberufe. Dort werden gemäß Kollektivvertrag facheinschlägige Vordienstzeiten von bis zu zehn Jahren angerechnet. Auch bis zu zwei Jahre nichteinschlägige Vordienstzeit können anerkannt werden. Die Kenntnis von Fremdsprachen gilt als weitere Aufwertung.
Je nach Branche haben Migranten unterschiedliche Probleme mit der Anerkennung von Dienstzeiten. René Schindler von der Produktionsgewerkschaft meldet Beschwerden bei der Anerkennung ausländischer Lehrabschlüsse. Das liege oft daran, dass bei Nicht-EU-Staaten die Gleichwertigkeit der Ausbildung nicht gewährleistet ist. Aus der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft war zu erfahren, dass es bei Friseuren häufig zu Problemen kommt: Diese haben zwar Arbeitserfahrung, aber keine Arbeitszeugnisse oder verfügen über Erfahrung in einem Teilbereich, als Herrenfriseur etwa.
Auf europäischer Ebene fehlt eine Vereinheitlichung
Die Dokumentation der beruflichen Qualifikation und Tätigkeiten durch Arbeitszeugnisse ist eine wichtige Voraussetzung, damit Migranten den Kollektivvertrag in Österreich in seinen Möglichkeiten richtig nützen. Doch auch Krieg, staatliche Auflösung von Betrieben oder Flucht können das Nachweisen zu einem schwierigen Unterfangen machen. Arbeitgeber stellen in nur wenigen Ländern ein Dienstzeugnis ähnlich dem in Österreich üblichen aus.
Um die Unterschiede auf europäischer Ebene zu verringern, haben Fachkräfte aus Österreich, Polen, Ungarn und Tschechien am Projekt "Kollektivverträge europafit" gearbeitet. Einiges könne verbessert werden, berichtet Gerald Musger von der Gewerkschaft der Privatangestellten, etwa die Transparenzrichtlinie, die alle Mindestinformationen im Arbeitsvertrag festlegt. Bei den Mindestanforderungen an einen Arbeitsvertrag soll auch das Kompetenzniveau verbindlich verankert, das Arbeitszeugnis standardisiert und die Anrechnung von Berufserfahrung erleichtert werden.
Auch die Pension ist von der Anrechnung von Dienstzeiten im Ausland betroffen. Nach dem Pensionsantrag informieren sich der heimische und der ausländische Versicherungsträger gegenseitig. "Empfehlenswert ist, sich vor dem Antritt der Pension bei dem Versicherungsträger zu informieren", sagt Werner Pletzenauer von der Arbeiterkammer.
Bei Migranten setzt sich die Pension aus Teilbeträgen zusammen. Die Arbeitszeiten in EU-Staaten zählen in Österreich, und auch die in anderen Staaten, wie Australien, Chile, Israel, Kanada, USA, Südkorea, der Schweiz, Tunesien, Türkei, den USA und den Staaten Ex-Jugoslawiens. Wie hoch der Pensionsanteil aus dem jeweiligen Land ist, hängt von der dortigen Rechtslage ab. Unterschiedlich geregelt ist auch, ab welchem Alter und mit wie vielen Versicherungsjahren man Anspruch auf eine ausländische Pension hat. Auch auf die Pensionsstichtage muss man achten.