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Dienstleistungsfreiheit als Hilfe für organisierte Kriminalität?

Von Veronika Gasser

Europaarchiv

Dienstleistungen sollen in Europa künftig ohne Einschränkungen angeboten werden können. So will es zumindest die EU-Kommission. Zu diesem Zweck wird schon an einer entsprechenden Richtlinie gearbeitet, die jedoch das EU-Parlament nicht erfreut. Weil damit auch der organisierten Kriminalität und Geldwäsche Tür und Tor geöffnet werden könnte.


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Die EU-Dienstleistungsrichtlinie sieht vor, dass Firmen, die innerhalb der EU ihre Dienste anbieten, nur noch dem Recht ihres Herkunftsortes unterworfen sind. Die Bestimmungen des Landes, in dem sie tätig sind, müssen sie nicht mehr beachten. So würde etwa für polnische Bauunternehmer, die in Österreich Bauleistungen erbringen, nicht das heimische Sozial- und Steuerrecht, sondern nur noch das polnische gelten. Mit dem sogenannten Herkunftsprinzip, dem Kernstück der Richtlinie, hat der EU-Abgeordnete Harald Ettl keine Freude. Dieses umzusetzen mache nur Sinn, wenn alle Länder dieselben Gesetze haben. Dies sei aber noch lange nicht der Fall. "Wir werden mit dem Chaos eines Nebeneinanders von 25 nationalen Standards große Probleme einhandeln." Denn mit dem Herkunftslandprinzip würden auch die Verbraucherrechte außer Kraft gesetzt.

Alarmiert ist auch Gerhard Strejcek, Professor für Verfassungsrecht und Sprecher des Zentrums für Glückspielforschung. Denn sollte die Richtlinie auch auf Glückspiele angewendet werden, wäre der organisierten Kriminalität Tür und Tor geöffnet. Derzeit gelten in Österreich für die Eröffnung eines Casinos strenge Regeln, das Startkapital muss ehrlich erworben worden sein.

Doch nicht überall gebe es derart strenge Regeln. Mit dem Geld aus Waffenschmuggel könnte eine moldawische Mafiabande eine Casino-Konzession in jenem EU-Staat mit den niedrigsten Standards erwerben und so auch in Österreich mit der Geldwäsche beginnen. Den österreichischen Aufsichtsbehörden wären die Hände gebunden, denn sie sollen künftig keinerlei Eingriffsrechte mehr haben. Das EU-Parlament wird sich ab Jänner intensiv der Richtlinie widmen. "Es ist eine Illusion zu glauben, wir können diese verhindern", so Ettl. Doch es "ist entscheidend, in welcher Form" sie umgesetzt wird. Er fordert deshalb, dass zuerst ein Rahmengesetz erstellt wird, das alle Dienstleistungen des öffentlichen Interesses definiert. Nur wirtschaftliche Dienstleistungen dürften EU-weit frei angeboten werden. Die Bereiche Gesundheit, Soziales und das Glücksspiel sollten auf keinen Fall der Dienstleistungsrichtlinie unterworfen werden. Wenig Hoffnung hat Ettl in die neue Kommission. Vor allem die neuen Beitrittsländer wären starke Lobbyisten für das Herkunftsprinzip. "Sie erwarten sich sehr viel davon und wollen damit besser ins Geschäft kommen." Skeptisch wären indes die EU-15. Dort sei man sich bewusst, dass mit der neuen Richtlinie der Konsumentenschutz ausgehebelt wird.