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"Diese Optik war tatsächlich fatal"

Von Walter Hämmerle

Politik
Spindeleggers Wunsch für 2008: Mehr Kultur im Parteienstreit um bessere Lösungen. Foto: Newald

Spindelegger: Vorgehen beim Sicherheitspolizeigesetz nicht wiederholen. | "Sozialengagement vor den Vorhang." | "Wiener Zeitung": Vertrauen der Bürger ist für die Politik das wertvollste Gut - in Österreich wird diese jedoch beständig weniger. Eine Zeitbombe für die Demokratie? | Michael Spindelegger: Wir müssen sicher alle nachdenken, was wir besser machen können, aber man muss auch vor zu hohen Erwartungen warnen. Verantwortlich für das sinkende Vertrauen ist der Streit der Parteien, das Gefühl, das nichts weitergeht.


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Der Streit wurzelt jedoch in der Vielfalt: Wir haben jetzt fünf Parteien statt wie zuvor vier im Parlament. Die drei Oppositionsparteien brauchen einen starken Auftritt, wollen sie gehört werden, und auch in der Regierung sitzen zwei unterschiedliche Parteien, die miteinander um die bessere Lösung streiten.

Hängt der Vertrauensverlust nicht auch mit dem Machtverlust der Politik zusammen: Pensionsfinanzierung, marode Krankenkassen, Arbeitslosigkeit, Armutsbekämpfung stehen seit Jahrzehnten auf der Agenda, nachhaltige Lösungen sind aber nicht in Sicht.

Die sozialen Systeme sind von ihrer Grundidee richtig: Ich bin gegen eine Versicherungspflicht statt unserer Pflichtversicherung, der Weg der behutsamen Systemadaptierung ist schon der richtige. Diese könnten allerdings zweifellos schneller durchgeführt und besser erklärt werden.

Die Art und Weise, wie das politisch umstrittene Sicherheitspolizeigesetz im Dezember am üblichen parlamentarischen Prozedere vorbei durchgepeitscht wurde, hat für viel Kritik gesorgt. Das Parlament verkam in diesem Fall tatsächlich zur Abstimmungsmaschinerie für die Vorhaben der Regierung.

Die Optik war tatsächlich fatal, da ist nichts zu beschönigen. Der Grund war, dass der Innenausschuss sehr lange aufgrund von Junktims nicht getagt hatte. In der Präsidiale haben wir deshalb beschlossen, dass es zumindest einmal im Quartal eine Ausschusssitzung geben muss. Damit kann sich ein solcher Fall nicht wiederholen.

Wir müssen aber auch generell die legistische Qualität verbessern. Gesetze müssen der Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof standhalten, für die Betroffenen verständlich und für die Vollzugsbehörden anwendbar sein. Wir brauchen eine viel engere Kooperation mit den Legisten der Ministerien und vor allem dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt. Hierzu gibt es von mir schon konkrete Überlegungen, ich will diese aber zuerst in der Präsidiale präsentieren.

Die Idee, das Parlament mit einem Expertenstab aufzurüsten, um ein Gegengewicht zur ohnehin gegebenen Übermacht der Regierung zu schaffen, ist passé?

Wir haben das überlegt, aber ein eigener Legistenstab wäre ein ungeheuer aufgeblasener Apparat. Ich sehe es nicht als unsere Aufgabe an, einen Verfassungsexperten für jede Materie aufzubauen. Gerade in einer großen Koalition erfolgte die politische Einigung oft in letzter Minute, etwa beim Frühstück vor dem Ministerrat. Diesen politischen Kompromiss legistisch einwandfrei zu übersetzen, das ist die große Herausforderung.

Seit 2000 kämpft die ÖVP mit dem Vorwurf der "sozialen Kälte". Dieses Image erweist sich als ziemlich zählebig. Was wollen Sie dagegen tun, immerhin sind Sie auch Vize-Obmann des ÖAAB?

Von diesem Image kommt man wieder weg, wenn man andere Verhaltensweisen an den Tag legt. Das beginnt beim persönlichen Kontakt: Jeder Abgeordnete, jeder Funktionär muss zu den sozial tätigen Vereinen hingehen, sie einladen und einbinden. Damit erreicht man auch eine Imageänderung. Als Präsident versuche ich, das Parlament als Bühne für solche Vereine zu nutzen, dieses Engagement muss vor den Vorhang. Die ÖVP muss aber sicher auch deutlich machen, welche Art von Sozialpolitik wir anstreben - die Gießkanne sicher nicht. Man muss denen helfen, die wirklich Hilfe brauchen.

Ihre Wünsche für 2008?

Dass die Verfassungsreform mit ordentlichen Ergebnissen fortgesetzt wird und dass sich ein bisschen mehr Kultur in die Streitkultur der großen Koalition hineinschmuggelt.