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Khamenei-Berater Amir Mohebbian im "WZ"-Gespräch. | "Wiener Zeitung":Irans Medien bezeichnen die diesjährige Parlamentswahl als zukunftsweisende Schicksalswahl. Warum?
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Amir Mohebbian: Diese Wahlen sind ein Stimmungstest. Es gilt, folgende Fragen zu beantworten: Wie schneidet die Partei von Präsident Mahmoud Ahmadinejad ab? Welchen Zuspruch bekommen die Hardliner und Konservativen, zu denen Ahmadinejads Partei zwar gehört, die sich aber in mehrere Gruppen aufteilen, und warum? Damit meine ich auch die Wähler, die von Ahmadinejads Partei enttäuscht sind, aber dennoch die Konservativen, etwa die Gruppierung rund um Ali Larijani, wählen. Die nächste Frage betrifft die Reformer: Werden Sie die erhofften Stimmenzuwächse schaffen? Was, wenn nicht?
Ist also alles eine Richtungsentscheidung zwischen Konservativen und Reformern?
Nein. Diesmal gibt es auch noch eine dritte Gruppierung, die sich als Alternative anbieten möchte. Für jene Wähler, die von Ahmadinejad genug haben, aber auch Khatami und den Reformern nicht zutrauen, die nötigen Reformen für das Land bewältigen zu können. Es ist auch falsch zu sagen, dass die ehemaligen Präsidenten Rafsanjani und Khatami an einem Strang ziehen. Das ist ein Zweckbündnis der Reformer gegen den gemeinsamen "Feind" mit dem Ziel, die Mehrheit der Ultrakonservativen zu brechen. Rafsanjani hat die seinerzeitigen Attacken der Reformer, als er von Khatami abgelöst wurde, nicht vergessen.
Diese Wahlen sind also eine Vorselektion der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2009?
So ist es. Hier kristallisiert sich heraus, welche Chancen Ahmadinejad und Khatami haben, falls sie kandidieren. Das heißt, man erkennt, mit welchem Rückenwind sie in den Wahlkampf gehen. Da Rafsanjani schon zu alt ist, um noch einmal selbst zu kandidieren, versucht er gerade, seinen eigenen Kandidaten für die Wahl ins Spiel zu bringen: Hassan Rohani soll 2009 sein Joker sein, um als moderate Kraft der Mitte allen enttäuschten Wählern eine Alternative bieten zu können.
Sie selbst haben ein sehr enges Verhältnis zum mächtigsten Mann im Iran, dem obersten religiösen Führer Ali Khamenei. Daher meine Frage: Wozu tendiert er persönlich?
Ali Khamenei ist ein sehr kluger Mann. Bei den Wahlen verfolgt er gleich mehrere Ziele. Oberste Priorität haben für ihn eine hohe Wahlbeteiligung und gerechte Wahlen. Deshalb hat er an das Volk appelliert, zu den Urnen zu gehen, und schlichtend eingegriffen, als sich einige Obrigkeiten über die restriktive Zulassungsmethoden des Wächterrats, der ja die Kandidaten genehmigen musste, beschwert haben. Ganz klar ist Khamenei gegen die Radikalreformer.
Also ist er eher für Ahmadinejad als für Khatami?
Wissen Sie, Khatami hat einen Kuschelkurs mit dem Westen gefahren, der im Endeffekt nichts gebracht hat. Ahmadinejad hingegen hat dem Druck getrotzt und den Iran dorthin gebracht, wo er heute ist. Diese Härte ist die Basis des Erfolgs unseres Landes. Da ist es klar, dass Khamenei das honoriert.
Doch sein Verhältnis zu Ahmadinejad ist ja bisweilen auch nicht ganz klar. Einmal lobt er ihn, dann verwehrt er ihm wieder eine Audienz ...
Wie überall gibt es in der Politik gute und schlechte Taten einer Regierung. Khamenei ist stolz auf die erfolgreiche Außenpolitik des Iran. Wir stehen heute in der Region sicherer und selbstbewusster denn je da. Das ist ein Erfolg der Regierung Ahmadinejad. Das hat Khamenei erst diese Woche klar und deutlich gesagt und dem Präsidenten sogar für "seine ausgezeichnete Außenpolitik" gedankt. Auch die Volksnähe Ahmadinejads liegt Khamenei mehr als die von Rafsanjani propagierte Mehrklassengesellschaft.
Hingegen wird vom obersten Führer sowohl die schlechte Wirtschaftslage kritisiert, als auch eingefordert, dass eine Regierung niemals leere Versprechen machen dürfe. Man müsse sich zuerst vergewissern, dass eine Maßnahme umsetzbar ist, bevor man dem Volk das Blaue vom Himmel erzählt.
Die Regierung Ahmadinejad hat ja auch auffallend oft Probleme mit dem Parlament, etwa wenn es um Kabinettsumbildungen oder Budgetabsegnungen geht.
Khamenei setzt hier immer wieder Akzente. Er will, dass das Gesamtkonstrukt der iranischen Führung an einem Strang zieht, um im Rahmen der islamischen Grundsätze möglichst viel für das Volk zu bieten. Wenn ihm etwas nicht passt, greift er schon einmal deutlich ein. Denken Sie etwa daran, dass er Ali Larijani nach dessen plötzlicher Entlassung, die gezeigt hat, dass es tiefere Reibereien innerhalb des Systems gibt, sofort zu seinem persönlichen Berater für den Atomstreit ernannt hat. Damit signalisierte er, dass er nicht wünscht, dass die Kräfte im Iran gegeneinander arbeiten.