Benzin verschmutzt die Luft weniger als Diesel. Der Verkehrsclub fordert das generelle Aus für Verbrennungsmotoren.
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Wien. "Eine Schmalspur-Variante, die nicht wirklich etwas Neues anbietet", kritisiert die Grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek im Ö1-"Morgenjournal". "Der derzeitige Zick-Zack-Kurs gleicht einer Verhöhnung der österreichischen Bevölkerung", steigert FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch das noch in einer Aussendung, obwohl grundsätzlich zufrieden, dass es keine neuen Belastungen für Diesel-Fahrer gebe.
Und ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger fordert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Man muss jetzt aufpassen, dass es durch die politische Diskussion nicht zu einem Wertverfall neuer Dieselautos kommt." Die Konsumenten dürften jetzt nicht weiter verunsichert werden.
Zufriedenheit beim politischen Mitbewerb mit Verkehrsminister Jörg Leichtfrieds Ergebnis des Diesel-Gipfels mit Autoherstellern sieht anders aus. Vereinbart wurde dabei, dass rund 600.000 ein Software-Update erhalten sollen. Die Autoproduzenten wollen darüber hinaus Verschrottungsprämien beim Neukauf für alte Dieselfahrzeuge gewähren.
Auch Renault, Dacia oder Fiat mit erhöhten Emissionswerten
Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung, bewertet das Ergebnis anders: "Sehr positiv für Konsumenten. Manche Autohersteller zahlen nicht nur für die Rückgabe von Autos der eigenen Marke, sondern so wie VW auch für die Autos anderer Hersteller Prämien." Es sei seit Längerem bekannt, dass auch die tatsächlichen Emissionswerte anderer Autos nicht den von den Herstellern angegebenen entsprechen.
Tatsächlich veröffentlichte der deutsche Autofahrerklub ADAC am Sonntag eine neuerliche Auswertung seiner Stickstoff-Emissionstests von 188 Fahrzeugen seit 2013. Dabei zeigt sich, dass der durchschnittliche NOx-Ausstoß der getesteten Fahrzeuge des Renault-Konzerns fast fünfmal so hoch wie jener der getesteten BMW war. Auch die Automarken Dacia, Fiat, Alfa und Jeep hatten hohe Stickoxidwerte.
Laut Wiesinger sollte die Politik im Übrigen keine "Kindesweglegung" betreiben: "Da gab es zwei Seiten: die Autohersteller, die eine Gesetzeslücke weidlich ausnützen, und die Politik, der diese bekannt war, die sie aber lange nicht geschlossen hatte."
Dies ist zwischenzeitlich passiert: Ab September müssen die Autohersteller auch Emissions-Test auch unter realen Fahrverhältnissen durchführen. Wiesinger wünscht sich folglich, dass die Hersteller auch bei einem Neukauf im nächsten Jahr Prämien für die Verschrottung älterer Dieselmodelle gewähren.
Ökonom Aiginger fordert klimafreundlichere Politik
Dem Wirtschaftswissenschafter Karl Aiginger, seit einem Jahr Leiter der "Querdenkerplattform Wien - Europa", hingegen reicht das Ergebnis des Dieselgipfels bei weitem nicht aus. Bei der gemeinsamen Präsentation mit dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zu den ausgeblendeten Kosten des Verkehrs sagt Aiginger vielmehr: "Die Frage, ob Benzin oder Diesel besser ist, ist die falsche Frage. Die Tage des Verbrennungsmotors sind gezählt."
Luftverschmutzung durch Diesel kostet neun Mal so viel
Die Erhebungen des VCÖ zeigen allerdings: Diesel-Fahrzeuge verursachen durch mehr Luftverschmutzung im Vergleich zu benzinbetriebenen neun Mal so hohe Kosten für die Gesellschaft.
Die Luftverschmutzung ist aber nur ein Faktor, der für eine nachhaltigere Verkehrspolitik von Bedeutung ist. VCÖ-Experte Markus Gansterer rechnet vor, dass Österreicher nicht nur für ihr eigenes Fahrzeug bezahlen, sondern in Summe 18 Milliarden Euro pro Jahr für den Pkw-Verkehr drauflegen: 4,2 Milliarden werden alleine für die Verkehrsinfrastruktur in Österreich ausgegeben. Aber auch Staus, Lärm, die Luftverschmutzung, Verkehrsunfälle und der Klimawandel, der durch Abgase voranschreitet, sorgen für zusätzliche gesellschaftliche Kosten, die alle Steuerzahler mitfinanzieren.
Konkret sind es 47,8 Cent, die die Gesellschaft in Stoßzeiten in der Stadt auf jeden mit dem Auto gefahrenen Kilometer zuzahlen muss. "Diese Kosten werden meistens ausgeblendet", sagt Gansterer. Bei einem Bahnkilometer sind es dagegen 1,72 Cent.
Förderung alternativer Verkehrsmittel
Vor diesem Hintergrund, und um die im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaziele zu erreichen, plädiert Aiginger für die Förderung von Alternativen wie Elektro- oder Wasserstoff-Autos anstelle von Kraftfahrzeugen, die mit fossilen Treibstoffen betrieben werden.
Elemente einer europäischen Strategie könnten laut Aiginger unter anderen die Wiederbelebung des Emissionshandels, Standards für ökologische Steuern und die Förderungen der produktiveren Nutzung von Energie sein.
Aber auch für die österreichische Politik hat der Wirtschaftswissenschafter durchaus Brisantes parat: Aiginger schlägt vor, Pendlerpauschalen künftig nicht mehr an Halter von Autos mit Verbrennungsmotoren auszubezahlen. Innerstädtische Zustelldienste sollten weder mit Diesel- noch mit Benzin-Autos fahren dürfen. Und Tankstellen und Garagen-Anbieter könne man dazu verpflichten, auch Solartankstellen anzubieten. "Alle drei Maßnahmen würden den Staat nichts kosten."
Und die Prämien für die Rückgabe älterer Dieselmodelle? "Mit Prämien zum Autotausch befindet man sich immer noch am falschen Pfad. Der Vorreiter bei alternativem Verkehr gewinnt, der Nachzügler zahlt", sagt Aiginger.