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Direkt von der Straße, heißt es oft, nehmen Modedesigner ihre Ideen. Das hat die deutsche "Vogue" kürzlich wörtlich genommen. Und hat eine Modefotostrecke veröffentlicht, die ein Model auf der Straße zeigt - als Obdachlose. Mit allem Drum und Dran: Einkaufswagerl als Wohnung, Becher zum Betteln - und ganz viel Kleidung übereinander. Selbstverständlich Kleidung, die nicht unter 5000 Euro zu haben ist. Solche Provokationen sind in Fotokunst und Mode natürlich nicht neu. Aber man darf sich auch als Lifestylemagazin-Macher manchmal fragen: Ist der Zeitpunkt für solche Sujets wirklich ein günstiger? Wenn immer mehr Jugendliche arbeitslos sind, wenn sich in Griechenland die Menschen nicht mehr aus ihren Schulden heraussehen? Ja, das ist ein Totschlag-Argument mit der in kreativen Kreisen so unbeliebten Moralkeule. Aber ein bisschen Gespür ist doch bei allem Ideen- oder Werbedruck nach wie vor nicht zu viel verlangt.
In dieselbe Kategorie lässt sich ein neues Produkt am österreichischen Zeitschriftenmarkt einordnen. Ein Gourmetsupermarkt am Wiener Graben hat mit einem eigenen Magazin im Niveaulimbo neue Tiefstrekorde geschafft. Hier gibt es, für alle, die sich eine Werbebroschüre um wohlfeile 3,50 Euro kaufen wollen, statt Haute Couture "Brot Couture". Das Model trägt also nebst waschechtem "Vogue"-Buckel eine Korsage aus Fladenbrot, eine Kette aus Toskanabrot und Patschen aus Landbrotlaiben. Dekadenz mag ja mitunter ganz unterhaltsam sein - das ist unbedacht und völlig daneben. Dieses Brot mag vielleicht gut schmecken, aber von gutem Geschmack zeugt das nicht.