Wieso Kapitalmarktkenner glauben, dass 2012 nicht das neue 2008 wird, und warum die Computeraktien auch nicht so abstürzen werden wie 2000/2001.
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So schlecht war die Stimmung am Kapitalmarkt wohl zuletzt bei der Jahrhundertwende 1899/1900, als man dem neuen Jahrhundert nach dem Börsenkrach in den 1870er Jahren voll Misstrauen entgegensah.
Die derzeitige Schwarzmalerei, die bei filigranen Konstrukten wie den Aktienmärkten sehr oft zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird, hat bereits zu Vergleichen mit 2008 und 2009 geführt. Doch "dieses Mal ist es anders", verspricht etwa der Aktienspezialist Comgest.
Zunächst sei 2008 auf der ganzen Welt das Wachstum eingebrochen, während heuer in den Schwellenländern trotz der Probleme in Europa und den USA ein deutlicher BIP-Anstieg zu verzeichnen war, erläuterte Céline Piquemal-Prade, Fondsmanagerin bei Comgest. Außerdem seien Unternehmen, gerade was Lagerbestände betrifft, sehr konservativ geworden: "2008 waren die Lager bis oben voll, alles bereit für einen Boom, der aber nicht kam - genau das Gegenteil war der Fall. Heute haben sie daraus gelernt", so die Managerin.
Daraus ergeben sich auch Chancen für unterbewertete Unternehmen, deren Aktien derzeit vielleicht zu unrecht unter Wert verkauft werden und durch Firmenpolitik aber gut durch eine Stagnation, wie sie vom US-Investmenthaus GMO vorausgesagt wird, kommen könnten.
Jeremy Grantham, Chefstratege von GMO, befürchtet "sieben magere Jahre" oder mehr. Seine Analyse von vorangegangenen Kapitalmarktkrisen hat ergeben, dass es "typischerweise 14 Jahre dauerte, bis die Märkte wieder auf dem Trendwachstum angelangt waren - 2009 hingegen genau drei Monate".
Er warnt, dass "Investoren heute vom kurzfristigen Denken geprägt sind" und ständig von einer sofortigen Erholung und immer höheren Gewinnmargen ausgehen, die aber erst auf "normale Niveaus" zurückkommen müssen, so Grantham. Er rät, in "Aktien guter Firmen" zu investieren.
Ob solche im Online-Bereich zu finden sind, muss jeder Anleger selbst entscheiden. Hier wagen trotz der getrübten Marktstimmung einige Unternehmen einen Börsengang, was 2008 nie möglich gewesen wäre. So hat der Coupon-Anbieter "Groupon" jüngst 700 Milliarden Dollar an der Börse eingesammelt, der größte Börsegang eines Online-Unternehmens seit Google im Jahr 2004.
Für manche mag das, zusammen mit den Gerüchten um einen Facebook-IPO, verdächtig nach 2000/2001 riechen, wo Internet-Firmen zu Dutzenden Pleite gegangen sind. Aber hier sieht das US-Investmenthaus MFS einen wichtigen Unterschied: Seit der Jahrtausendwende haben Internetfirmen "gelernt, aus Klicks wirklich Geld zu machen", vor allem durch zielgerichtete Werbung. Außerdem sei der Wettbewerb stärker, wodurch eine Differenzierung zwischen den Firmen erfolgt sei, und es gebe weniger Übertreibungen am Kapitalmarkt bei Internet-Aktien.
Apropos Übertreibungen: Im Anlagetrend "Grüne Trittbrettfahrer" vom
1. Dezember hat sich an die Zahl der vom WWF zusammengestellten sozialen, ökologischen und ökonomischen Kriterien für die Messung einer Unternehmensleistung eine Null angehängt. Es sind "nur" 100, nicht 1000. Bitte den Fehler zu entschuldigen.
Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.