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Differenzen mit dem Kreml, nicht mit dem russischen Volk

Von Leigh Turner

Gastkommentare
Leigh Turner ist seit September 2016 britischer Botschafter in Österreich und Ständiger Vertreter des Vereinigten Königreichs in bei den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen in Wien. Foto: British Foreign Office/Patrick Tsui

Der Nervengasanschlag in Salisbury reiht sich in ein Muster ungesetzlichen Verhaltens ein.


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In einer beschaulichen britischen Stadt wurden ein Vater und eine Tochter Opfer eines Giftanschlags. Es war der erste Einsatz von Nervengas in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Sergej und Julia Skripal sind nach wie vor im Krankenhaus. Ein Polizist, der ihnen zu Hilfe kam, ist ebenfalls in kritischem Zustand. Weitere 35 Menschen mussten medizinisch behandelt werden.

Was in Salisbury am 4. März passiert ist, war ein schamloser Versuch, Zivilisten auf britischem Boden zu ermorden und dabei jeden - egal welcher Nationalität - im unmittelbaren Umkreis extrem zu gefährden.

Unsere Wissenschafter haben die eingesetzte Substanz als russisches, zu militärischen Zwecken entwickeltes Nervengas namens Novichok identifiziert. Nur Russland verfügt über eine Geschichte staatsgesteuerter Attentate, ein Motiv, Sergej Skripal zur Zielscheibe zu machen, und eine Historie der Produktion von Novichok-Gas.

Nach der Attacke gab die britische Regierung dem Kreml Gelegenheit zu erklären, woher das Gas stamme und ob gewisse Mengen abhandengekommen seien. Unsere Fragen wurden ignoriert, was der Regierung keine andere Wahl ließ als die Schlussfolgerung, dass Russland schuldig ist, einen Mordversuch unter Einsatz eines tödlichen und von der Chemiewaffenkonvention verbotenen Nervengases verübt zu haben. Leider reiht sich der Vorfall in Salisbury in ein Muster ungesetzlichen Verhaltens ein. Seit 2014 hat Russland die Krim annektiert, die Flammen des Konflikts in der Ostukraine beständig angeheizt, den deutschen Bundestag und die dänische Regierung gehackt und versucht, europäische Wahlen zu beeinflussen.

Unsere Reaktion auf den Anschlag war angemessen stark, jedoch stets im Einklang mit unseren Werten als liberale Demokratie und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Das Vereinigte Königreich hat 23 nicht deklarierte Geheimdienstmitarbeiter der russischen Botschaft in London ausgewiesen. Nun ist es wichtig, dass die ganze internationale Gemeinschaft zusammensteht, um die Regeln zu verteidigen, auf denen die Sicherheit jedes Landes beruht. Tun wir das nicht, wird Russland sein gefährliches und destruktives Verhalten weiterführen.

Wir haben keine Differenzen mit dem russischen Volk, dessen kulturelle Leistungen seit Jahrhunderten die Welt beeindrucken. Auch werden wir nie die Standhaftigkeit Russlands während des Zweiten Weltkriegs vergessen, als wir gemeinsam eine starke Allianz gegen die Nazis gebildet haben. Viele Russen haben das Vereinigte Königreich zu ihrem Zuhause gemacht. Sie halten sich an unsere Gesetze, leisten einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesellschaft und bleiben bei uns willkommen.

Aber wir haben die Pflicht, dem Kreml entgegenzutreten, wenn versucht wird, die internationale Gemeinschaft zu spalten und zu schwächen.

Jedes Mal, wenn Russland die internationale Rechtsstaatlichkeit unterwandert, wird das Land mehr und mehr zu einer Gefahr. Diese Gräueltat fand in einer friedlichen britischen Provinzstadt statt. Nächstes Mal könnte es auch irgendwo anders in Europa, sogar auf österreichischem Boden, sein.