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Differenzierung als Kompromiss

Von Matthias G. Bernold

Wirtschaft

Heute, Freitag, diskutiert die Vollversammlung des Österreich-Konvents den Bericht des Grundrechtsausschusses. Umstritten ist nach wie vor die Ausgestaltung bzw. Festschreibung der sozialen Grundrechte. Ausschuss-Vorsitzender Univ.-Prof. Bernd-Christian Funk gibt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" dennoch optimistisch: Auch in dieser Frage zeichne sich bereits ein Kompromiss ab. Soziale Leistungen sollten durch klassische grundrechtliche Ansprüche, institutionelle Garantien und Gesetzgebungsaufträge abgesichert werden, meint Funk.


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Dass die österreichischen Grundrechtsgesetze auf eine neue verfassungsrechtliche Basis gestellt gehören, ist unter allen politischen Gruppierungen unumstritten. Zersplittert und unübersichtlich sind die Bürger- und Menschenrechte momentan, inner- wie außerstaatliche Rechtsquellen stehen in schwer durchschaubarem Verhältnis nebeneinander. Es blieb über Jahrzehnte Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), die Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle, des Staatsgrundgesetzes von 1867, des Datenschutzgesetzes, der EU-Grundrechtecharta und vieler weiterer Gesetze miteinander in Einklang zu bringen.

Zudem entwickelte der VfGH die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte - so die rechtsdogmatisch korrekte Bezeichnung für Grundrechte - weiter, so dass die Judikatur mit dem Gesetzestext mitunter nur noch locker zusammenhängt, was die Komplexität der Materie auch nicht mindert. Einigkeit im Konvent besteht im wesentlichen über die klassisch-liberalen Grund- und Bürgerrechte, wie sie seit dem 19. Jh. in unterschiedlicher Ausformung und Intensität Teil der österreichischen Verfassung sind. Dazu zählen u.a. die Pressefreiheit, die Unverletzlichkeit des Eigentums, Vereins- und Versammlungsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Recht auf Privatsphäre, aber auch die sogenannten politischen Rechte, die die Teilhabe am Entscheidungsfindungsprozess im Staat garantieren.

Deutlich voneinander weichen die Positionen bei den sogenannten sozialen Grundrechten ab. Während die SPÖ die Implementierung sozialer Grundrechte zur conditio sine qua non für eine Einigung im Konvent erklärt hat, gibt sich die ÖVP eher zurückhaltend, weil sie durch ein Zuviel an sozialen Grundrechten eine Beschränkung des politischen Gestalters fürchtet.

"Es prallen hier zwei verschiedene Philosophien aufeinander", erläutert Verfassungsrechtler Funk, "nach der einen soll die Verfassung möglichst schlank sein und lediglich die Spielregeln vorgeben." Nach der anderen - so Funk weiter - soll die Verfassung entsprechend internationalen Entwicklungen modernisiert werden und leistungsstaatliche Garantien bekommen.

Trotz aller Aufassungsunterschiede seien die Weichen für die Zukunft gestellt, glaubt Funk: "Wir werden eine Kombination von Möglichkeiten haben, differenzierte Lösungen". Abgesehen von direkten Ansprüchen auf staatliche Leistung werde es Gesetzgebungsaufträge geben, die den einfachen Gesetzgeber binden, sowie - als dritte Gruppe - institutionelle Garantien. Funk schlägt vor, verfassungsgesetzliche Ansprüche auf Unterkunft, Sozialhilfe und den Zugang zur Gesundheitsvorsorge einzuräumen.

Im Umweltrecht wünscht er sich Gesetzgebungsaufträge, "die auch ausreichend Partizipation von Bürgern" vorsehen.

Eine verfassungsrechtliche Bestandsgarantie, "ähnlich wie beim Bundesheer" scheint dem Staatsrechtler für die öffentlich-rechtliche Sozialversicherung sinnvoll.

Funk: "Das heißt nicht, dass etwa das System der Altersvorsorge, so wie es heute ist, beibehalten werden muss, sondern nur, dass es prinzipiell eine staatliche Altersversorgung zu geben hat."