Gesetzliche Datenschutzrichtlinien bieten im Alltag nur bedingte Sicherheit.
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Wien. Sie heißen Boss Anywhere, Spector 360 oder ISpyNow. Sie arbeiten im Verborgenen und haben Augen und Ohren überall. Die Funktion dieser Computerprogramme lautet: Überwachung des Datenverkehrs. Offiziell aus Gründen der betrieblichen Sicherheit, inoffiziell aber häufig primär zur Durchleuchtung der Mitarbeiter.
"Das Internetsurfen wird nicht zu selten auch am Arbeitsplatz zur privaten Verwendung genutzt", ist auf der Webseite eines heimischen IT-Dienstleisters zu lesen. Die Folgen dieser privaten Nutzung lägen auf der Hand: "Es bringt Produktivitäts- und Bandbreitenverluste mit sich." Ebenso einleuchtend sei die Lösung für dieses Dilemma: die Installation von Software, die nicht nur den Datenverkehr vor Angriffen von außen zu schützen vermag, sondern auch den versandten Inhalten auf den Zahn fühlen kann.
"Ich erinnere mich an einen Fall betrieblicher Überwachung, den wir vor Gericht bringen mussten", erzählt Günter Köstelbauer, Arbeitsrechtsexperte der Arbeiterkammer. Eine Mitarbeiterin hatte sich bei ihrem Kollegen per E-Mail über das Unternehmen beschwert - was dieser mit einem Kraftwort gegen den Betrieb beantwortete. Dummerweise nahm der Arbeitgeber Einsicht in den E-Mailverkehr und kündigte den Mitarbeiter - widerrechtlich, wie sich herausstellen sollte. Der Fall wurde vor Gericht gebracht und endete mit einem Erfolg für den Mitarbeiter.
Selbstverständlichkeit wäre das aber keine gewesen, wie der Arbeitsrechtsexperte betont. Denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur betrieblichen Überwachung wären ein "Graubereich", der vielfach von Fall zu Fall unterschiedlich zu handhaben ist.
Jede Überwachung muss sachlich gerechtfertigt sein
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber eine sachliche Rechtfertigung für das Mitlesen von E-Mails oder Abhören von betrieblichen Telefongeräten vorweisen können. Sollte ein Arbeitnehmer im Verdacht stehen, seine Arbeitszeit für private Zwecke zu nutzen, sei das beispielsweise eine zulässige Rechtfertigung, erläutert Köstelbauer. Wird bei einer Überwachungsmaßnahme allerdings die Menschenwürde berührt, was etwa beim Mitlesen privater Mails der Fall wäre, ist eine Betriebsvereinbarung erforderlich. In kleineren Betrieben ohne Betriebsräte muss der Arbeitnehmer zu Überwachungsmaßnahmen überhaupt seine Zustimmung dazu geben.
In der Praxis sind diese gesetzlichen Grundlagen allerdings oft nur bedingt wertvoll. Denn vielfach verhalten sich Überwachungsmaßnahmen gerade am Bürocomputer wie Schädlingsprogramme: Sie arbeiten im Hintergrund, ohne dass man sie bemerkt. "Es kann durchaus passieren, dass man davon nichts mitbekommt", weiß Köstelbauer.
Als zuverlässiger Ausweg aus der Überwachung habe sich dem Arbeitsrechtsexperten zufolge daher nur eines bewährt: bewusstes Kommunizieren. "Wir raten Arbeitnehmern immer, bei der Kommunikation Vorsicht walten zu lassen - egal, ob es sich um E-Mails oder auch Einträge auf Facebook handelt." "Denn", so Köstelbauer weiter, "man hat eben nie die Gewissheit, dass der Große Bruder nicht mitliest."
Eine generelle Zunahme der digitalen Überwachung am Arbeitsplatz will Köstelbauer zwar nicht bestätigen. Dass der Fortschritt der technischen Möglichkeiten allerdings dazu einlädt, diese auch zu nutzen, liegt für Köstelbauer auf der Hand. Es gelte also, wie übrigens bei jeder Form der betrieblichen Kommunikation, "besser dreimal zu überlegen, bevor man etwas schreibt".