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Digitale Bank aus Wien in Berlin

Von Philipp Jauernik

Wirtschaft
N26 sei die modernste Bank Europas und auf die Bedürfnisse der Digital-Natives-Generation zugeschnitten, behaupten die Köpfe hinter der App.

Banking-App: Simple Bedienung am Smartphone war den beiden Bankgründern besonders wichtig.


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Wien. Nur ein kurzes Tippen mit dem Finger - und schon ist die Überweisung getätigt. Was vor wenigen Jahren noch als Science-Fiction galt, ist heute Realität. Mit inzwischen mehr als 300.000 Kunden ist die junge Start-up-Bank N26 auf dem Weg, ihre Vision der ersten rein digital konzipierten und paneuropäischen Bank zu verwirklichen. Hinter der Idee stehen zwei junge Wiener.

Ganz dem Stil der boomenden Start-up-Szene entsprechend, entstand das Projekt auf einer Wohnzimmercouch in Wien. Mittlerweile wurde der Sitz nach Berlin verlegt. Die beiden Erfinder von N26 stammen aber beide aus Wien und entsprechen so gar nicht dem klassischen Typus des Bankers. Klischeehafte Gadgets wie Rolex oder Luxusauto sucht man in der Berliner Zentrale von N26 vergeblich, und auch der in der traditionellen Bankenbranche als Uniform geltende dunkle Anzug ist Mangelware. Hier sitzen junge Leute in Jeans und T-Shirt. Auch das Ambiente erinnert eher an den Gerstenboden der Ottakringer Brauerei, keine Spur von Marmor oder Parkett. Wüsste der Besucher nicht, dass er im Hauptquartier einer Bank steht, er könnte sich genausogut in einem Internetcafé wähnen.

Valentin Stalf (31) und Maximilian Tayenthal (36) treten im Pulli auf. Man ist untereinander per Du. Stalf beschreibt das Arbeitsumfeld so: "Im Start-up herrscht ein extrem dynamisches Umfeld, viel Verantwortung und eine der steilsten Lernkurven überhaupt." Tayenthal ergänzt: "Wir haben viele junge Mitarbeiter, die deshalb zu uns kommen, weil sie sich erwarten, mehr zu lernen als anderswo. Das trifft zu - auch für uns beide."

Grenzenloser digitaler Markt

"Der große Vorteil unserer Zeit ist, dass es für den Markt, den wir bearbeiten, egal ist, wo wir sitzen. Wir haben heute Kunden in insgesamt 17 Ländern - das ist ein riesiger Vorteil des EU-Binnenmarkts. Digitale Geschäftsmodelle sind gut skalierbar, die Operations sitzen an einer Stelle, aber die Kunden können überall sein", erklärt Tayenthal. Das unterstreicht auch sein Gründungspartner Stalf: "N26 ist die modernste Bank Europas und auf die Bedürfnisse der Digital-Natives-Generation zugeschnitten. Sie funktioniert komplett am Smartphone und setzt im Banking einen neuen Standard, wie Spotify oder Uber in anderen Bereichen."

Was bedeutet das für die Kunden? Die Kontoeröffnung dauert nur acht Minuten, ganz ohne Besuch einer Filiale. Die Verifizierung der User passiert am Laptop oder Tablet über eine Kamera. Konto und Mastercard sind kostenlos, alles ist über die App steuerbar - vom PIN für die Karten über den Überziehungsrahmen bis hin zu Sparprodukten und Investments. "Bei uns kann der Kunde mit einem Klick seine gesamten Finanzen am Smartphone managen", erzählt Stalf stolz.

Möglichst userfreundlich

Zum Beispiel sortiert die App die Ausgaben übersichtlich nach Rubriken. Bei jeder Kontobewegung erhält der Kunde sofort eine Push-Mitteilung aufs Handy. Das ist kundenfreundlich - aber reicht es auf Dauer aus? Theoretisch könnte jede herkömmliche Bank ähnliche Userfreundlichkeit anbieten. Tayenthal sieht das anders: "Eine traditionelle Bank verändert das Interface, aber wenn man ein Konto eröffnen oder Geld veranlagen will, muss man in die Filiale und sich mit dem Papierkram herumschlagen. Das Interface ist okay, aber die Umsätze werden zeitverzögert dargestellt. Man muss zum Beispiel eine Hotline anrufen, um eine Karte sperren zu lassen. Bei uns gehen die Kunden in die App, sperren die alte Karte und bestellen eine neue. Und wenn sie in einem Geschäft stehen und etwas kaufen wollen, wissen sie binnen Sekunden, ob sie den Dispo dafür bekommen - und haben dann das Geld auch sofort zur Verfügung."

Stalf ergänzt: "Wir haben nicht nur eine neue User-Experience geschaffen, sondern auch alle Produkte von Anfang an digital gebaut. Dadurch ist unser Modell extrem skalierbar - wir haben in Berlin 200 Mitarbeiter, bauen aber eine Bank für mehrere Millionen Kunden auf." Konkret bedeutet das: N26 bietet die gleichen Produkte wie traditionelle Banken, konzipiert und produziert diese aber ohne den oft schwerfälligen Apparat einer über viele Jahrzehnte gewachsenen Bankstruktur. So kann das noch junge Unternehmen theoretisch genauso viele Kunden betreuen wie jede andere Bank.

Hilfe von White-Hat-Hackern

Gerade nach den jüngst bekannt gewordenen Sicherheitsproblemen der Mobilfunknetze (Hacker hatten mit einem Trick mTAN-SMS abgefangen und deutsche Konten - nicht bei N26 - leergeräumt) wurde der Branche allerdings wieder einmal vor Augen geführt, dass Kriminelle stets neue Sicherheitslücken finden. N26 hat daher vorigen Dezember ein sogenanntes Bug-Bounty-Programm gestartet: Hacker-Talente auf der ganzen Welt sollen theoretische Sicherheitslücken unter rechtlichen Rahmenbedingungen und ohne Kunden zu schaden aufstöbern und an N26 melden.

Die Bank verweist zudem darauf, dass die Kunden in derselben Sekunde, in der eine Kontobewegung stattfindet, darüber per Push-Benachrichtigung informiert werden und so im Notfall sehr schnell reagieren können. Vom Bug-Bounty-Programm erwartet die Bank nun Erkenntnisse über reale Schwachstellen, da die darin agierenden Hacker wohl dieselben Angriffspunkte wählen würden wie echte. "Wir wollen die Kooperation mit White-Hat-Hackern fest in unser Sicherheitskonzept integrieren", sagt Stalf dazu.

In Wien an Grenzen gestoßen

Bleibt die Frage, wieso sie das nicht alles von Wien aus tun - immerhin wurde das Unternehmen ursprünglich hier gegründet. Bald, erzählen die Gründer, stießen sie hier aber an ihre Grenzen: "In Berlin haben wir deutlich besseren Zugang zu Investoren. Als wir in Wien gegründet hatten, gab es nicht viele Venture-Capital-Investoren in Österreich. Wenn man mit drei bis vier bekannten Gesichtern gesprochen hatte, musste man schon ins Flugzeug steigen", berichtet Tayenthal. "Ausschlaggebend war also letztlich die Größe der existierenden Start-up-Szene, auch für das Recruiting."

Zur Auswahl standen London und Berlin. Die Entscheidung für die deutsche Hauptstadt hat sich hinsichtlich der jüngsten politischen Entwicklungen in Großbritannien als goldrichtig herausgestellt. Die Unsicherheit durch den bevorstehenden Brexit wäre für das junge Unternehmen im Fundraising eine Katastrophe und brächte auch noch andere Probleme mit sich: N26 ist mit einer Lizenz der Europäischen Zentralbank ausgestattet und kann somit im gesamten Binnenmarkt gleichermaßen agieren. "Unser Geschäftsmodell funktioniert nur aufgrund der Europäischen Union. In London bräuchten wir in zwei Jahren eine neue Lizenz und kämen nicht mehr so leicht an internationale Mitarbeiter", erläutert Tayenthal. "Säßen wir in London, würden uns plötzlich 27 Länder als Markt wegfallen", ergänzt Stalf. "So fällt nur eines weg. Das große Projekt der EU war und ist der gemeinsame Markt, der die Fragmentierung überwindet. Insbesondere im digitalen Bereich sind wir nur mit einem großen Binnenmarkt international konkurrenzfähig."

Ihren Kontakt zu Wien halten die beiden Jungbanker dennoch aufrecht, regelmäßige Besuche zuhause inklusive: "So weit ist es ja doch nicht", meint Stalf mit einem Schmunzeln. Und natürlich verfolgen sie die Entwicklungen in der Heimat laufend mit: "Österreich liegt uns sehr am Herzen. Dass die Politik jetzt endlich Start-ups auf ihre Agenda genommen hat, ist sehr erfreulich. Wien ist heute viel weiter als vor fünf Jahren und entwickelt sich, das ist sehr gut und sehr wichtig."

N26

Der Name der Bank N26 kommt vom Rubik-Würfel. Dieser besteht aus 26 einzelnen Würfeln und ist sehr komplex - und dennoch mit der richtigen Strategie in wenigen Schritten lösbar. 2013 haben Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal ihre Start-up-Bank gegründet, die inzwischen ein Investitionsvolumen von knapp 50 Millionen Euro umfasst. Zu den ersten Investoren zählten Axel Springer, Earlybird, Horizons Ventures und verschiedene Business Angels.

Reizthema Datensicherheit

Wenige IT-Experten wollen sich namentlich aus der Deckung wagen, wenn es um die Sicherheit beim elektronischen Banking geht. Kein Wunder: Für die Kunden ist dieses Thema wenig interessant, da im Zweifelsfall die Bank mit Kulanzlösungen einspringt, wenn wirklich einmal etwas geschehen ist und die Schuld dabei nicht eindeutig beim Anwender lag - was freilich nicht immer auszuschließen sein dürfte.

"Viele Kunden verwenden digitales Banking so, als würden sie ihren PIN-Code auf die Bankomatkarte schreiben", ist etwa von einem Branchenvertreter, der lieber anonym bleiben will, auf Nachfrage zu hören. Wenn etwa der PIN-Code aus dem eigenen Geburtsdatum besteht und dann auch noch als Passwort für E-Mail-Konto und Banking-App dient, ist die Sicherheitsstufe nun einmal gering.

Vorfälle anderer Art sind dennoch denkbar. So ist es zum Beispiel dem Hacker Tobias Engel bereits im Jahr 2014 gelungen, SMS abzufangen und Telefone zu lokalisieren, ohne sich physisch in der Nähe der Angegriffenen befinden zu müssen. Es ist also durchaus möglich, Bankkonten digital zu räumen - auch wenn, wie Zahlungsdienstleister betonen, der Schaden dann immerhin nachvollziehbar und - anders als etwa beim Verlust der Brieftasche - daher zumeist auch ein Versicherungsfall sei.