)
Während angesichts steigender Infektionen Firmen Dienstreisen streichen, kehren die Unis zurück zum Vor-Ort-Modell - und damit in eine längst vergangene Zeit.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Eineinhalb Jahre Corona-Pandemie liegen hinter einem ganzen Land. Fluglinien und andere Reiseunternehmen kämpfen nach wie vor ums Überleben, sind angeschlagen oder nur noch dank Staatshilfen im Geschäft. Das hat vor allem damit zu tun, wie sehr Reisen durch Videokonferenzen ersetzt wurden - einfach deshalb, weil es möglich war.
Ein ähnliches Bild zeigten die heimischen Universitäten, die eine etwas früher, die andere etwas später; aber in Summe stiegen die heimischen tertiären Bildungseinrichtungen kumulativ auf Distanzunterricht um. Zigtausende Studenten bundesweit folgten plötzlich den Vorlesungen über den Computerbildschirm.
Nun hat das zweifelsfrei einige Schwächen. Für Studenten ist natürlich die soziale Interaktion vor Ort ein wesentlicher Teil ihres Lebens. Nur daheim zu sitzen und zum Eigenbrötler zu werden, kann keineswegs Sinn und Zweck eines akademischen Studiums sein. Gerade diskursorientierte Lehrveranstaltungen wie Seminare und Übungen beziehen einen Gutteil des akademischen Mehrwerts daraus, dass Studenten voneinander lernen, etwa durch Referate und Diskussionen. Diese werden im Online-Betrieb nicht gleichwertig ersetzt, so ehrlich muss man sein.
Nun befinden wir uns aber im Jahr 2021. Ganze Parlamente und Ministerräte können bereits im Remote-Betrieb Beschlüsse fassen. Und überall wird vom lebenslangen Lernen gesprochen, ganz zu schweigen von der Bedeutung der digitalen Skills für Alltag und Berufsleben. Das ist auch alles richtig. Aber kaum, dass Video-Tools in der Gesellschaft halbwegs angekommen zu sein scheinen, schalten Unis möglichst wieder in einen Präsenzbetrieb zurück.
Für Berufstätige, die sich weiterbilden wollen, heißt das oft: Du kommst hier nicht rein. Ein Seminar am Dienstag zu Mittag ist für Vollerwerbstätige einigermaßen schaffbar, wenn sie sich online zuschalten können. In der Präsenzvariante ist der Zeitaufwand mit An- und Abreise beruflich schwierig zu vereinbaren. Die Unis, immerhin die höchstrangigen Bildungsinstitute des Landes, kehren so ein Stück weit zu einer Lebenssicht der 1960er zurück: Wer ins Berufsleben geht, hat entweder schon studiert oder wird es nicht mehr tun. Mit dem modernen Konzept des lebenslangen Lernens, das unsere Wissensgesellschaft so dringend benötigt, ist das nicht vereinbar.
Gleichzeitig leben wir in einer sich immer rascher verändernden Welt, aber die nötigen Weiterbildungsmöglichkeiten sind für Berufstätige kaum bis gar nicht zugänglich. Weiterbildung postgradual ist entweder sehr teuer oder nur für Nicht-Berufstätige zugänglich. Hier liegt ein Widerspruch von Entscheidung und Wahrnehmung vor und daraus folgend eine innere Spannung. In der Psychologie nennt man das eine Dissonanz. Der Ball liegt im Bildungssektor: Es gilt die Lehren der jüngsten Vergangenheit ernstzunehmen und Hürden abzuschaffen, die der Weiterbildung immer noch völlig unnötig im Weg stehen. Verstärkte Angebote für Berufstätige sind einer der Wege dazu.