Der UN-Sonderbotschafter für Jugend, Ahmad Alhendawi, will junge Menschen wieder näher an die Politik bringen.
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"Wiener Zeitung": Sie sind der erste Sonderbotschafter des UN-Generalsekretärs für die Jugend. Was macht ein Sonderbotschafter für die Jugend?Ahmad Alhendawi: UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat in seiner zweiten Amtszeit entschieden, dass die Arbeit mit Jugendlichen eine der Top-Prioritäten der UNO ist. Um das umzusetzen, hat er ein neues Büro mit vor allem zwei Aufgaben gegründet: Die erste ist, innerhalb des UN-Systems die Bemühungen für die Jugend zu harmonisieren und zu koordinieren. Die zweite ist, nach außen für die Jugend einzutreten und Partnerschaften mit Regierungen und privaten Organisationen zu schließen.
Was schließt für Sie Jugend ein?
Wir haben eine klare Definition, die Jugend auf 15 bis 24 Jahre eingrenzt. Das ist aber nur für statistische Zwecke. Die Themen, die wir behandeln, können auch Ältere und Jüngere betreffen.
Sie sind also für eine sehr breite Gruppe zuständig. Wie halten Sie mit Ihrer Zielgruppe Kontakt?
Bis zu einem gewissen Grad wissen wir zumindest, was nicht funktioniert. Wir müssen die Werkzeuge, die wir benutzen, verbessern. Wenn Sie zum Beispiel im Privatsektor ein Produkt verkaufen möchten, und es wird nicht gekauft, werden Sie nach einiger Zeit das Produkt verändern. Wir müssen in gewisser Weise das Gleiche tun mit der Art, wie wir an junge Menschen herantreten. Junge Menschen sind an Politik interessiert, aber viele gehen nicht zur Wahl. Es gibt ein Missverhältnis zwischen jungem Engagement in politischen Institutionen und jungem Engagement bei politischen Themen. Junge Menschen diskutieren Politik in den sozialen Medien, die gleichen Menschen gehen aber nicht zur Wahl. Ich denke, das hat etwas mit dem Zustand der Politik zu tun. In den USA hat ein junger Mann zu mir gesagt: "Über einen Kandidaten in einer TV-Show kann ich innerhalb von fünf Sekunden abstimmen, um einen Politiker zu wählen, muss ich fünf Stunden lang warten."
Eines der wichtigsten Argumente gegen den Versuch, demokratische Prozesse ins Internet zu verlagern, ist die Sicherheit.
Ich zum Beispiel verwende Online-Banking, finde es sicher und bin dabei sicher nicht der Einzige. Es sollte also einen Weg geben, das auch im politischen Prozess zu schaffen. Es geht aber nicht nur um Wahlen. In unserer Generation ist Demokratie nicht nur, alle vier Jahre zur Wahl zu schreiten. Demokratie ist Engagement bei allen Dingen, die mein Leben betreffen. Junge Menschen wollen sichergehen, dass ihre Stimme gehört wird. Das Wählen ist da nur ein Element. Unsere politischen Institutionen sind für junge Menschen noch analog.
Diese Frage betrifft junge Menschen in Demokratien. Für viele junge Menschen in UNO-Mitgliedsländern wäre es aber schon ein Fortschritt, überhaupt wählen zu dürfen.
Klarerweise ist die Welt unterschiedlich. Viele, viele junge Menschen leben in Konfliktregionen. Wir haben aber trotzdem die Verpflichtung, die Demokratie dort weiterzuentwickeln, wo sie bereits erreicht wurde.
Sie haben die Diversität der jungen Menschen bereits angesprochen. Wie bringen Sie die unterschiedlichen Bedürfnisse junger Menschen unter einen Hut?
Junge Menschen haben nicht nur in verschiedenen Weltregionen unterschiedliche Bedürfnisse. Dabei von einer homogenen Gruppe auszugehen, wäre irreführend. Die Jugend ist eine Phase des Übergangs: zum Erwachsensein, zu höherer Bildung, zur Arbeitssuche und zur Unabhängigkeit. Etwa in Europa passieren diese Übergänge mittlerweile verspätet.
Gibt es dennoch universelle Bedürfnisse junger Menschen?
Zu Beginn meiner Amtszeit machten wir eine Umfrage, an der sich fünf Millionen junge Menschen beteiligten. Wir fragten nach ihren wichtigsten Prioritäten. Das war ihre Antwort: erstens Bildung. Zweitens Arbeitschancen. Drittens ein gutes Gesundheitssystem. Viertens ehrliche und verantwortliche Staatsführung. Fünftens Frieden und Sicherheit. Da könnte ich auch nichts mehr hinzufügen. Diese Bedürfnisse gibt es auf der ganzen Welt.
Zum Autor:
Ahmad Alhendawi
wurde 1984 geboren und ist seit 2013 Sonderbotschafter der Vereinten Nationen für die Jugend und referierte beim Salzburg Global Seminar. Der Jordanier arbeitete zuvor für ein Weltbank-finanziertes Programm der Arabischen Liga.