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Digitale Sinnlichkeit

Von Judith Belfkih

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Malen nach Zahlen - ein Klassiker der Beschäftigungstherapie. Bei Kindern beliebt ob ihres spielerisch getarnten pädagogischen Nutzens, mit dem der Sportsgeist bei öden Rechenaufgaben angekurbelt werden soll. Ganz nebenbei wird die Feinmotorik geschult. Die Rechnungen lassen - richtig gelöst und ausgemalt - einen Papagei zum Vorschein kommen. Gelernt hat das Kind auch noch etwas dabei.

In Form von Ausmalbüchern nutzen Erwachsene das geführte Malen längst zum Stressabbau. Wenngleich sich diese Methode nicht für jeden eignet. Berichte von Wutwellen und in Ungeduld zerknüllten Blättern belegen das. Varianten mit Ölfarben haben dazu noch einen sinnlichen wie künstlerischen Touch - für alle, die sich vor der leeren Leinwand fürchten. Und bringen: einen echt selbst (nach)gemalten Picasso.

Jetzt hat Malen nach Zahlen die digitale Welt erreicht - in mannigfaltiger Formenvielfalt: Foto hochladen und auf Leinwand gedruckt in eine Ölbild-Vorlage umgewandelt nach Zahlen ausmalen. Oder rein virtuell: dreidimensionale Wesen mit beliebig vielen Augen (per Mausklick) einfärben und die neuen Kreaturen in ein Selfie einfügen. Jedenfalls versprechen die digitalen Malvorlagen ein "fantastisches Ausmalerlebnis" und die Entdeckung "des inneren Künstlers". Dazu gibt es virtuelle Zauberstäbe, Malspritzen und zur Belohnung ein Zeitraffervideo zur Dokumentation des "schöpferischen Prozesses". Es gibt sogar nicht jugendfreie Vorlagen. Sinnlichkeit war schon einmal, nun ja: sinnlicher.