In Südkorea startet die neue Generation des mobilen Internets: 5G wird den Alltag grundlegend verändern.
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Seoul. Am Ende musste alles rasend schnell gehen: Ursprünglich hatten Südkoreas Telekomanbieter für Freitag geplant, das weltweit erste landesweite 5G-Netz einzuführen. Dann jedoch verdichteten sich Gerüchte, dass der US-Anbieter Verizon Communications den Asiaten zuvorkommen könnte. Also entschied sich SK Telecom in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, ihre Eröffnungszeremonie bereits auf Mittwochabends vorzuverlegen. Schlussendlich haben die Südkoreaner das digitale Rennen um zwei Stunden gewonnen.
"Als Markteinführer prägt man die öffentliche Wahrnehmung. Südkorea hatte bereits bei 4G die Nase vorn. Dementsprechend wichtig war es für das Land, seinen Status als führende Hightech-Nation zu behalten", sagt Sanjeev Rana von der Investmentgruppe CLSA Korea.
Bei 5G handelt es sich um die neueste Generation des mobilen Internets. Die Branche hypt die Technik als "Lichtsprung" in Sachen Geschwindigkeit und Konnektivität hoch. 5G hat das Potenzial, hundertmal schneller als das derzeit vorherrschende LTE zu sein. Derzeit jedoch schöpft die bestehende Infrastruktur die technischen Möglichkeiten von 5G nur zu einem Fünftel aus.
5G - ein großer Schritt
Wie sich das für uns Konsumenten auswirkt, demonstriert Südkoreas größter Anbieter SK Telecom bei der 5G-Präsentation in seiner Seouler Firmenzentrale, die treffenderweise wie ein überdimensionales Smartphone in die Skyline ragt. In der Lobby des Wolkenkratzers haben sich hunderte Journalisten versammelt, um einen Blick in die digitale Zukunft zu werfen. Als CEO Park Jeong-ho die Bühne betritt, ist diese als eine Art felsige Mondlandschaft designt. Die Botschaft ist klar: 5G ist ein großer Schritt für die Menschheit.
Das Netz von SK Telecom deckt bereits 85 Städte und Ortschaften ab, 34.000 Basisstationen wurden installiert. Bis zum Ende des Jahres hofft man auf eine Millionen Abonnenten für die 5G-Dienstleistungen, die dem Konsumenten monatlich zwischen 30 und 100 Euro kosten werden.
Der tatsächliche Startschuss für die kommerzielle Nutzung beginnt nun am Freitag. Dann nämlich bringt Samsung Electronics das erste und bisher einzige 5G-kompatible Smartphone auf den koreanischen Markt. Das Galaxy S10 wird umgerechnet 1000 Euro kosten.
Zunächst werden die Konsumenten die Veränderungen erfahren: Mit der Applikation "Real 360" von Korea Telecom etwa können Handy-Nutzer Videostreams in Echtzeit ihren Blickwinkel am Touchscreen um 360 Grad drehen. Das Ganze lässt sich auch bei Live-Übertragungen von beispielsweise Formel-1-Rennen umsetzen: Wenn der Pilot eine 360-Grad-Kamera um seinen Nacken trägt, kann der Zuschauer zuhause bestimmen, ob er auf seinem Display etwa in die Ferne schweifen will oder in Richtung Zuschauertribünen.
Eine weitere Anwendung fungiert als eine Art "virtuelles Wohnzimmer", in dem sich die mit VR-Headsets verbundenen Nutzer zu gemeinsamen Fernsehabenden treffen können. Was für europäische Ohren nach Orwellscher Dystopie klingt, könnte im technikbegeisterten Südkorea durchaus Anklang finden.
Evolution statt Revolution
Wirklich bahnbrechend sind die 5G Konsumenten-Dienste jedoch bislang nicht.
"Noch sehe ich 5G mehr als eine technische Evolution, keine Revolution", sagt auch Tech-Analyst Rana von CLSA: "Doch 5G hat letztendlich das Potenzial, ganze Branchen von Grund auf zu verändern. Dies wird in den nächsten fünf Jahren für jedermann sichtbar."
Beim autonomen Fahren beispielsweise werden extreme Datenmengen verarbeitet. Erst 5G wird dem fahrerlosen Auto zum Marktdurchbruch verhelfen. Ebenfalls wird die neue Generation des mobilen Internets in "smarten" Fabriken zunehmend Arbeitsprozesse zu automatisieren, indem es künstliche Intelligenz und Roboter mit einbindet.
Unweigerlich wird dies zu massiven Jobverlusten führen, jedoch gleichzeitig neue Berufsfelder kreieren. Laut dem koreanischen KT Research Institute wird 5G bis 2035 rund 960.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Zumindest in Teilen ist eine solche Zahl dem in Korea vorherrschenden Technik-Hype geschuldet.
Starker Technikglauben
Während nämlich in Europa neue Technologien vor allem Skepsis auslösen, ist die südkoreanische Gesellschaft durch einen tief verwurzelten Technikglauben geprägt. Ob das noch unerforschte 5G möglicherweise gesundheitsgefährdende Mobilfunkstrahlen auslöst? In Südkorea kein Thema. Ebenso wenig wird darüber diskutiert, ob Huawei bei der Infrastruktur mitbieten darf. Tatsächlich kollaboriert der Tech-Riese aus China mit LG Uplus, dem drittgrößten südkoreanischen Telekommanbieter.
"Bei der Industrialisierung war Südkorea noch Spätzünder - ein Fehler, der schließlich dazu geführt hat, dass wir Anfang des 20. Jahrhunderts vom wirtschaftlich überlegenen Japan kolonialisiert wurden. Umso entschlossener war die Regierung nun, bei der Digitalisierung Vorreiter zu sein", sagt Professor Park Jae-shin von der Kookmin Universität in Seoul, der Anfang der 2000er als Berater des Präsidenten diente.
Nach den Vereinigten Staaten schloss Südkorea als zweites Land der Welt überhaupt einen Computer ans Internet an. Bereits Ende der 90er baute die koreanische Regierung landesweit Breitbandverdingungen aus. Mittlerweile ist Südkorea das bestvernetzte Land der Welt.