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Digitalisierung gestalten

Von Martina Madner

Politik

In der Pilotfabrik der TU Wien geht es um Chancen, aber auch Risiken des digitalen Arbeitens.


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Wien. Im informellen EU-Rat für Beschäftigung und Sozialpolitik ging es um neue Arbeitsformen, die mit der Digitalisierung entstehen: Aufträge auf internationalen Plattformen, oft auch für Menschen mit wenig Qualifikation, die diese ohne arbeitnehmerrechtlichen Schutz, häufig schlecht bezahlt, per Werkvertrag erledigen.

Ein Thema, mit dem sich Vertreterinnen und Vertreter von Asfinag, ÖBB-Infrastruktur, Infineon, Hafen Wien, der TU Wien sowie anderen Unternehmen und Institutionen ein Jahr lang befasst haben. Und zwar nicht nur außerhalb der Betriebe, in den Debatten ging es um die Veränderungen von Arbeit durch die Digitalisierung in den Betrieben.

Die jungen Männer der Industrie 4.0

Weil Ingrid Moritz, die Leiterin der Frauenabteilung der Arbeiterkammer Wien, und Traude Kogoj, ÖBB-Diversity-Beauftragte einluden, kamen auch die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit von Frauen nicht zu kurz, sondern standen im Zentrum dieser Debatten. Mit der Veranstaltung in der Pilotfabrik der TU Wien in der Seestadt Aspern ginden sie nun in die letzte Runde.

Eine Erkenntnis: "Es sind meistens Männer, die die digitalen Prozesse neu gestalten, Frauen sind oft die Ausführenden", sagte Kogoj. Eine weitere lautete deshalb, dass sich genau das ändern müsse, wenn sich die Digitalisierung auf die Arbeit von Frauen wie Männern auch positiv auswirken soll.

Und tatsächlich: TU-Wien-Vizerektorin Anna Steiger spricht von sehr geringen Anteilen weiblicher Studierender in den Fächern, die die Digitalisierung vorantreiben: knapp zehn Prozent im Maschinenwesen, zwar 25 Prozent Professorinnen in der Informatik, aber auch da rund 17 Prozent Studentinnen. "In der Elektrotechnik schrammen wir mit neun Prozent nicht mal an den zehn."

Auch am Ort des praktischen Geschehens, der Pilotfabrik, dominieren es junge Männer - vornehmlich weiß, das aber nicht nur - beinahe alle in weißen Hemden. So wie Iman Ayatollahi, Assistent am Institut für Fertigungstechnik der TU Wien, er erklärt zum Beispiel eine vollautomatisierteDrehmaschine, mit der Prototypen hergestellt werden.

Um erst festzustellen: "Das hat gar nichts mit Industrie 4.0 zu tun, das ist 3.0, die es schon seit dreißig Jahren gibt." Um dann aber doch auf 4.0 zu kommen: "Das ist die Vernetzung zwischen den Maschinen." Diese kommunizieren ohne Zutun von Mitarbeitern miteinander. Einmal programmiert sorgt Software dafür, dass der Roboterarm ein Stahl-Teil aus dem 3D-Drucker aufgreift und an die Drehmaschine weiterreicht.

TU-Wien-Student Felix Köstlbacher präsentiert Kommissionier- und Montagesysteme. Mit Augmented-Reality- oder Daten-Brillen erhalten Mitarbeiter Zusatz-Informationen zur Reparatur direkt vors Auge und nicht mehr auf einem Bildschirm. Schwieriger sei die Zusammenarbeit von Robotern und Menschen: "Da stellen sich auch Fragen der Arbeitssicherheit." Roboter müssten mit Sensorik ausgestattet sein, damit sie Menschen nicht rammen: "Damit die Roboter Mitarbeiter nicht beschädi... eh, verletzen", korrigiert sich Köstlbauer: "Ich arbeite zu viel mit Maschinen."

Kleiner Teil hoch- und viel wenig qualitative Arbeit

Solche und ähnliche Sorgen trieb manche auch in der Debatte nach dem Rundgang durch die Pilotfabrik um. "Da bleibt nur stupide Arbeit, bei der man überhaupt nicht mehr nachdenken muss, übrig." - "Und das auch nur solange, wie die Maschine sie noch nicht kann", hieß es etwa im Publikum. Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl folgerte am Podium: "Digitalisierung muss gestaltet werden. Wenn man die Besten will, kann man auf Frauen nicht verzichten." Die neun Arbeiterkammern wollen 150 Millionen Euro in die Weiterbildung der Beschäftigten investieren, die halbe Milliarde Euro an Digitalisierungsförderung fast nur Unternehmern zu Gute komme.

Silvia Angelo, im ÖBB-Infrastruktur-Vorstand, sieht aber auch Chancen auf eine Erhöhung des Frauenanteils von aktuell sieben Prozent im Unternehmen durch digitale Hilfsmittel, Beispiel Fahrdienstleistung: "Da hat die Digitalisierung zwar Arbeitsplätze gekostet, es ist aber heute ein Berufsbild, das für Frauen zugänglicher ist." Die Arbeit mit und an der Schiene war oft Schwerstarbeit.

Doris Pulker-Rohrhofer, Geschäftsführerin des Hafens Wien mit 32 Prozent Frauen unter den Beschäftigten, aber nur einer unter den Outdoor-Terminal-Arbeitern, wünscht sich mehr Role-Models in der Technik. "Und zwar nicht nur unter den Auszubildenden, sondern auch jenen, die ausbilden", ergänzt Sigrun Alten, Leiterin der Lehrlingsausbildung bei Infineon. Beim Halbleiterhersteller liegt der Frauenanteil bei 17 Prozent beziehungsweise 12 Prozent in technischen Berufen.