Der Erhalt der Beschäftigung ist für die Wohlstandssicherung in Österreich essenziell.
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Wien. Österreich ist ein Industrieland. Die heimischen Industriebetriebe tragen wesentlich zum Wohlstandsniveau bei, denn 21,7 Prozent der Wertschöpfung stammen direkt aus dieser Branche. Weitere 20 Prozent an Wertschöpfung werden indirekt durch industrieorientierte Dienstleistungen beigesteuert. Auch als Arbeitgeber spielen Industriebetriebe und Anbieter industrieorientierter Dienstleistungen eine wesentliche Rolle. Rund 43,3 Prozent aller Beschäftigten in Österreich sind in diesen Sektoren tätig, und mehr als die Hälfte aller Lehrlinge werden von Industrieunternehmen ausgebildet. Zudem ist die Industrie aufgrund der überdurchschnittlich hohen Löhne und Gehälter ein wesentlicher Pfeiler des österreichischen Wohlstandes.
Digitalisierung stellt Industriebetriebe jedoch vor neue Herausforderungen. Als größter Entwicklungsschub seit der industriellen Revolution trägt Digitalisierung dazu bei, dass traditionelle Branchengrenzen eingerissen werden. Disruptive Geschäftsmodelle bedrohen etablierte Anbieter und verstärken den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Akteuren. Beispielsweise ermöglicht Additive Manufacturing - auch 3D-Printing genannt -branchenfremden Unternehmen den Eintritt in die industrielle Fertigung. Design, das früher durch das Fertigungsverfahren bestimmt wurde, kann durch neue Technologien beliebig individualisiert werden.
Die Schattenseiten
Es gibt quasi keine Einschränkungen mehr, alles ist machbar. Software wird zum Schlüsselfaktor und Individualisierung geht mit einer massiven Kostenreduktion einher. Die Karten werden neu gemischt, und die heutige Wertschöpfungslogik wird auf den Kopf gestellt.
Digitalisierung wird die Arbeitswelten verändern. Rund 44 Prozent aller heimischen Arbeitsplätze sind durch Automatisierung gefährdet. In absoluten Zahlen sind das mehr als 1,8 Millionen Jobs. In der Industrie und den industrieorientierten Dienstleistungen könnten rund 750.000 Arbeitsplätze wegfallen. Nicht nur niedrig qualifizierte, sondern auch hochqualifizierte Jobs sind betroffen. Das Zukunftsszenario der menschenleeren Fabriken rückt zunehmend näher.
Um den Wohlstand zu sichern, müssen die Chancen genutzt werden, die sich durch die Digitalisierung auftun. Eine von A.T. Kearney im Rahmen der Studie "Wertschöpfung 4.0" initiierte Befragung hat gezeigt, dass die Industriebetriebe den digitalen Umbruch überwiegend mit Chancen verbinden. Allerdings hält mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen zunehmenden Wettbewerb aus anderen Branchen für unwahrscheinlich respektive sehr unwahrscheinlich. Aufbrechende Branchengrenzen werden in Österreich daher unterschätzt.
Um den Wohlstand trotz des Umbruches in den Arbeitswelten zu gewährleisten, muss das Beschäftigungsniveau von jährlich rund sieben Milliarden Arbeitsstunden gehalten werden. Die durch Digitalisierung gefährdeten Arbeitsplätze können nur durch einen gezielten Beschäftigungsaufbau ersetzt werden. Dazu trägt das Entstehen von neuen Arbeitsplätzen insbesondere im Sozial-, Bildungs- und Pflegebereich bei. Die Jahresarbeitszeit wird durch Bildungsauszeiten und den Anstieg von Teilzeit und flexibleren Beschäftigungsformen mit einer ähnlichen Rate wie in den vergangenen 20 Jahren zurückgehen. Auch die Arbeitsproduktivität wird weiter steigen. Der größte Teil der neuen Jobs muss aber von neuen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen abgedeckt werden. Bis 2040 müssen mindestens 30 Prozent der Wirtschaftsleistung dadurch erwirtschaftet werden.
Die Lösungsansätze
Um das zu erreichen, müssen Unternehmen, Wissenschaft und Politik ihre Kräfte bündeln. Eine Steigerung der Innovationsfähigkeit in der Industrielandschaft kann durch eine bessere und gezieltere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sowie durch mehr Anreize für gemeinsame Projekte erreicht werden. Darüber hinaus müssen sich die Unternehmen in ihrer Entwicklungstätigkeit weiter in Richtung externer Partner, Lieferanten und Kunden öffnen.
Außerdem muss das Bildungssystem auf diese neuen Gegebenheiten abgestimmt werden. Schon jetzt fehlen Universitätsabsolventen in den technischen Fächern, und viele Unternehmen zeigen mangelnde Qualifikationen von potenziellen Bewerbern auf. Eine stärkere Anpassung des Bildungs- und Ausbildungssystems an die Erfordernisse der Wirtschaft ist daher nötig.
Und nicht zuletzt muss der Industriestandort Österreich für Unternehmen attraktiv bleiben. Dazu sollten Hürden bei der Unternehmensgründung und andere Investitionshemmnisse wie etwa der hohe bürokratische Aufwand, die überdurchschnittlichen Lohnnebenkosten und die enorme Steuerbelastung verringert werden. Anreize zur Förderung von Start-ups und Neugründungen müssen durch geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen forciert werden.
Gastkommentar
Florian
Haslauer
ist Partner und Geschäftsführer bei A.T. Kearney Österreich und verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Beratung.