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Digitalisierung setzt Energiebranche unter Strom

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
© elen31/Fotolia

Der Energiewirtschaft steht ein Strukturwandel bevor, profitieren werden branchenfremde Unternehmen.


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Wien. "Die gesamte Energiebranche geht von großen Veränderungen durch die Digitalisierung aus. Interessanterweise sieht sie sich allerdings nicht als Profiteur dieser Entwicklung." So skizziert Herbert Lechner, wissenschaftlicher Leiter der Österreichischen Energieagentur (AEA), das zwiespältige Verhältnis der Energiewirtschaft zur digitalen Revolution.

Warum das so ist und wie es tatsächlich um die Digitalisierungsstrategien heimischer Energieunternehmen bestellt ist, dem geht die Studie "Digitale Transformation der Energiewelt" nach. Ernüchterndes Fazit: Lediglich die Hälfte der befragten Energieunternehmen verfügt derzeit über eine Digitalisierungsstrategie oder eine Abteilung, die sich verstärkt mit dem Thema auseinandersetzt. Und das, obwohl sich 88 Prozent der befragten Experten bewusst sind, dass die Digitalisierung die gesamte Branche massiv verändern wird; und die restlichen zwölf Prozent zumindest mittlere Auswirkungen erwarten. Einig sind sich die Befragten auch darüber, dass etablierte Energieunternehmen dank der Digitalisierung starke Konkurrenz bekommen werden. 88 Prozent sehen energierelevante Start-ups als neue Player; 85 Prozent glauben, dass auch etablierte branchenfremde Unternehmen profitieren werden, vor allem aus dem Informations- und Kommunikationstechnologie-Sektor (IKT).

Massiver Strukturwandel

Künftig werden auch branchenfremde Anbieter oder Start-ups Strom verkaufen - ohne ein Kraftwerk zu besitzen. Denn: Bei den neuen Akteuren zählt nicht mehr vorrangig der Besitz von Infrastruktur, sondern vielmehr die Kontrolle der Schnittstelle zwischen Anbieter und Kunden.

"Der Wettbewerb um Energiekunden wird weiter zunehmen. Neue Akteure treten in den Markt ein und erzeugen, liefern oder verschieben Energie", bestätigt AEA-Experte Werner Brandauer. "Aber auch die Kunden selbst werden künftig aktiver und lassen die klassischen Energieversorger außen vor, zum Beispiel über Peer-to-Peer-Netzwerke."

Für dieses "Internet der Energie", wie der Energiemarkt der Zukunft bereits bezeichnet wird, brauche es freilich noch gesetzliche Anpassungen. Wo früher vorwiegend Großkraftwerke Energie geliefert haben, werden in Zukunft tausende kleinere Erzeugungsanlagen erneuerbare Energie mit zum Teil stark schwankenden Mengen in das Stromnetz einspeisen. "Die Struktur wird zunehmend dezentral. Um damit umgehen zu können, muss das Energiesystem der Zukunft ‚exibler und intelligenter werden", prophezeit Brandauer. "Der Schlüssel für diese Energieintelligenz ist wieder die Digitalisierung. Sie vernetzt Erzeugungseinheiten, Speicher, Industrieanlagen, elektrische Geräte, Fahrzeuge und Prognosewerte miteinander und erlaubt eine ‚exible Abstimmung sämtlicher Komponenten - also zum Beispiel auch die automatisierte Anpassung des Verbrauchs."

Daten, Daten, Daten

Zentraler Knackpunkt des "Internet der Energie" ist also der Umgang mit den wachsenden Datenmengen. "Viele kundenbezogene Daten liegen im Verantwortungsbereich des Netzbetreibers. Es ist derzeit aber noch unklar, ob und wie die Marktteilnehmer im Wettbewerbsbereich diese Daten zumindest für die Entwicklung von Geschäftsmodellen und Produkten verwenden dürfen", erklärt AEA-Experte Günter Pauritsch. "Besonders für Lieferanten und neue Anbieter von Energie-Dienstleistungen sind diese Daten von Bedeutung, um innovative Geschäftsmodelle entwickeln und umsetzen zu können."

Im Fokus sind hier unter anderen die umstrittenen Smart-Meter-Daten. Mit ihnen wird es erstmals technisch möglich, Verbrauchsdaten der Kunden in Viertelstunden-Intervallen zu erfassen. Interessante Daten kommen aber nicht nur von den Smart-Meter-Zählern. Jeder Kontakt mit dem Kunden produziert Daten, da viele Geräte über Sensoren verfügen. Die Anzahl verfügbarer Daten wird also rasant ansteigen und Unternehmen sind gefordert, diese nicht nur aufzuzeichnen, sondern auch systematisch zu analysieren, um sie intelligent nutzen zu können. Derzeit fragen die etablierten Energieunternehmen Dienstleistungen rund um Analyse und Segmentierung von Kundendaten allerdings ausnahmslos bei Dritten nach. 85 Prozent holen sich außerdem Unterstützung bei Datenmanagement und Analyse.

Wer sich mit dem Zukunftsthema Energieeffizienz auseinandersetzt, kommt an digitalen Technologien ebenfalls nicht vorbei. Mit ihrer Hilfe können unter anderem Energieeffizienz-Potenziale identifiziert und umgesetzt werden. "Das ist sehr wichtig, da der Ausbau erneuerbarer Energieträger irgendwann an seine Grenzen stoßen wird, und jede Kilowattstunde Energie, die nicht verbraucht wird, auch nicht erzeugt werden muss", gibt Pauritsch zu bedenken. "Davon können auch Unternehmen profitieren, die heute primär vom Verkauf von Energie leben. Unsere Umfrage zeigt, dass der intelligente Einsatz von Energie zu einem wichtigen Geschäftsmodell wird."