Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Kärntner Tragikkomödie ist es zu verdanken, dass man über Absonderlichkeiten heimischer Politik, von denen man im Alltag versucht ist, sie nicht zu wichtig zu nehmen, gründlicher und grundsätzlicher nachdenkt. Und je öfter, desto tiefer verfällt man ins Grübeln, wie es nur geschehen konnte, dass solche Strukturen bis heute überleben konnten.
Etwa die Möglichkeit, dass eine Partei, die lediglich über die relative Mehrheit verfügt, durch ihren Auszug aus dem Parlament die Entscheidung einer absoluten Mehrheit blockiert. Halten sich alle Beteiligten an ihre Ankündigungen, wird dieses Trauerspiel Freitag im Klagenfurter Landhaus über die Bühne gehen. Interessanter Zugang im Rahmen eines Systems, das Kritiker als "Diktatur der Mehrheit" abkanzeln. Die Diktatur einer Minderheit wird ja gemeinhin nicht mit parlamentarischer Demokratie assoziiert.
Kärnten steht mit seinen Bemühungen, die Möglichkeiten einer relativen Mehrheit auch über die Grenzen des demokratisch Sittlichen auszudehnen, nicht allein. In praktisch jedem Bundesland hat sich die strukturelle Mehrheit die Landesverfassung passgenau auf die Brust geschneidert. Man denke nur an die zahlreichen Eigenheiten der Wiener Stadtverfassung - vom Wahlrecht bis hin zum grenzperversen Unikat einer Proporzregierung, die seitens der Opposition von nicht-geschäftsführenden Stadträten bevölkert wird. In Abwesenheit eines Hegemons haben sich eben die zwei stärksten Parteien wechselseitige Blockademöglichkeiten eingeräumt.
Während der längsten Zeit der Zweiten Republik spielten solche "Feinheiten" des österreichischen Verständnisses von Parlamentarismus keine Rolle, zu eindeutig waren die politischen Machtverhältnisse. Davon kann heute keine Rede mehr sein, Machtverlust ist für jeden Platzhirschen zumindest zur theoretischen, mitunter sogar zur realen Gefahr geworden, wenn sich alle anderen gegen ihn verbünden. Es sei denn, die Landesverfassungen haben diesbezüglich vorgesorgt.
"Demokratie", so Winston Churchill, "ist die Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansichten anderer Leute zu beugen." Das sollten sich nicht nur die Kärntner Freiheitlichen, sondern sämtliche selbstherrlichen Parteien, die der Bürger nur mit einer relativen Mehrheit ausgestattet hat, ins Stammbuch schreiben.