Nicht Angela Merkel ist ursächlich für die skandalöse Arbeitslosenraten in Südeuropa verantwortlich, sondern die dortigen Kräfte der Beharrung.
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Wenn einander die Regierungschefs der EU in diesen Tagen gegenseitig ihre grenzenlose Regierungsweisheit bescheinigen, weil sie 130 Milliarden Euro organisiert haben, mit denen das Wirtschaftswachstum in Europa angefacht werden soll, dann haben wir es dabei mit einer Art von Hütchenspielern im Maßanzug zu tun. Denn ein erheblicher Teil dieser 130 Milliarden Euro sind schlicht und ergreifend nicht zusätzliche, bisher nicht geplante Ausgaben und Investitionen, sondern bloß die Umetikettierung schon bisher vorhandener Planposten. Die Substanz des Wachstumspaktes gleicht partiell der eines Heißluftballons ohne Hülle.
Deshalb ist es auch eher frommes Wunschdenken, von derartigen Wachstumspakten mehr Jobs zu erwarten, besonders im diesbezüglich besonders arg gebeutelten Südeuropa. Dort - und nicht nur dort - wird ja derzeit der berüchtigten Austeritätspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel die Schuld dafür zugewiesen, dass beispielsweise in Spanien die Arbeitslosigkeit bei 25 Prozent - unter Jugendlichen sogar bei skandalösen 50 Prozent - liegt. Das ist ökonomisch insofern originell, als in Deutschland, dem Reich der Austeritätsfinsternis, selbst praktisch Vollbeschäftigung herrscht.
Ein einfach aufzuklärendes Paradoxon. Denn zentrale Ursache der spanischen Arbeitsmarkt-Grippe ist nicht Austerität, sondern es sind Gewerkschaften, die sich völlig auf die Verteidigung der Besitzstände von Jobinhabern konzentriert haben. Deshalb war bis zu den jüngsten Reformen die Kündigung eines Arbeitnehmers de facto fast unmöglich, was natürlich zu entsprechend wenigen neuen Anstellungsverhältnissen führte, ähnlich wie etwa auch in Griechenland.
Dem steht augenfällig die verantwortungsbewusste und auch volkswirtschaftlich wesentlich klügere Art und Weise gegenüber, in der nicht alle, aber die meisten Gewerkschaften sowohl in Deutschland als auch in Österreich diesen Zusammenhang erkannt und entsprechend flexibel gesetzliche Regelungen der Arbeitsmärkte akzeptiert haben. Mit dem Ergebnis, dass in beiden Ländern die Arbeitslosigkeit kein primäres Politikproblem mehr ist.
Das zeigt relativ klar: Die arbeitslosen Jugendlichen in Spanien oder Griechenland sind nicht Opfer von Frau Merkel, sondern vor allem ihrer eigenen Gewerkschaften. Lernen diese nicht endlich von ihren deutschen und österreichischen Kollegen, wird sich an der Malaise nichts ändern.
Das gilt nicht nur für die Gewerkschaften, sondern auch für alle anderen hartleibigen saurierartigen Besitzstandswahrer wie etwa den klassischen griechischen Taxibesitzer, die sich mit Leibeskräften gegen jede Liberalisierung ihrer jeweiligen Märkte wehren - und so zu Produzenten von Arbeitslosigkeit werden, für die sie dann anschließend Frau Merkel verantwortlich machen.
Davon, ob es gelingt, diese Kräfte der Beharrung zurückzudrängen, wird - unter anderem - auch in Österreich abhängen, ob die relativ günstige Wirtschaftslage mittelfristig abgesichert werden kann. Südeuropa zeigt ziemlich drastisch, was passiert, wenn dies scheitert.
ortner@wienerzeitung.at