Washington - Nach der Entscheidung der USA, im Zusammenhang mit der Enttarnung des FBI-Agenten Robert Hanssen, der seit 1985 für Russland spioniert hatte, 50 russische Diplomaten aus den USA auszuweisen, droht ein neuer "Diplomatenkrieg" zwischen Moskau und Washington. Russland hat seinerseits mit der Ausweisung von US-Diplomaten gedroht.
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Mittwoch Abend hatte US-Außenminister Colin Powell den russischen Botschafter in den USA, Yury V. Ushakov, in Kenntnis gesetzt, dass fünf Agenten, die mit Hanssen in Verbindung gebracht wurden, das Land sofort verlassen müssten und in den nächsten Monaten bis zu 50 russische Diplomaten die Vereinigten Staaten zu verlassen hätten.
Donnerstag wurde der amerikanische Botschafter in Moskau, James Collins ins russische Außenministerium bestellt. Regierungsbeamte in Moskau drohten ihrerseits mit der Ausweisung von US-Diplomaten wegen Spionage. Die Moskauer Reaktion werde spiegelbildlich sein, hieß es aus Regierungskreisen, die darauf hinwiesen, dass Russland nur 190 Diplomaten in den USA hätten, die Amerikaner aber 1.100 Personen in ihrer Botschaft in Moskau. Die fünf Diplomaten, die die Amerikaner unmittelbar ausweisen wollen, sollen die USA bereits in den letzten Wochen verlassen haben.
Die Russen werfen den Amerikanern vor, in die Ära des Kalten Krieges zurückzufallen. Tatsächlich gab es eine derart große Anzahl von Diplomatenausweisungen zum letzten Mal 1986 in der Ära Reagan, als die USA 80 sowjetische Diplomaten auswiesen und Moskau im Gegenzug 24 US-Diplomaten zum Verlassen des Landes aufforderte. Der damalige "Diplomatenkrieg" dauerte rund ein Monat lang, bis Washington der Meinung war, man habe das sowjetische Spionagenetz in der USA führungslos gemacht und einen Friedensschluss anbot. Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 war die Zahl der russischen Geheimdienstmitarbeiter, die im diplomatischen Status an der Botschaft in Washington, an der UN-Mission in New York und im Generalkonsulat in San Francisco beschäftigt waren, auf unter 100 gesunken und das FBI konnte sogar einige seiner Konteragenten abziehen und mit anderen Aufgaben betrauen. Seit Mitte der Neunzigerjahre stieg die Zahl der russischen Diplomaten aber wieder an und ist heute höher als je zuvor, sagte ein Mitarbeiter des US-Außenministeriums der "Washington Post".
Nach der Massenausweisung sowjetischer Diplomaten im Jahr 1986 hatte es nur zwei Fälle gegenseitiger Ausweisungen gegeben. Nach der wegen Spionage erfolgten Festnahme des CIA-Offiziers Aldrich H. James im Jahr 1994 musste der russische Agent Aleksandr Lysenko Washington verlassen und die Russen wiesen ihrerseits einen Amerikaner aus, den sie als CIA-Chef in Moskau bezeichneten. 1999 hatten die Russen den US-Diplomaten Cheri Leberknight wegen Militärspionage ausgewiesen. Daraufhin beschuldigten die USA den russischen Diplomaten Stanislav B. Gusev, einen Konferenzraum des US-Außenministeriums abgehört zu haben und forderten ihn auf, die USA binnen 10 Tagen zu verlassen.