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Hut ab, Mevlüt Cavusoglu hat geschafft, woran wohl sogar Mutter Theresa gescheitert wäre. Der türkische Außenminister ließ FPÖ-Obmann Strache keine andere Wahl, als sich schützend vor Bundeskanzler Kern zu werfen. Dazu hat es allerdings den erstaunlich dummen Satz gebraucht, wonach "Österreich heute die Hauptstadt des radikalen Rassismus" sei. Dass Österreich nur im Angesicht von Jenseitigkeiten zum nationalen Schulterschluss fähig ist, bildet die deprimierende Kehrseite dieser innenpolitischen Ausnahmesituation.
Doch zurück zur Lage der internationalen Beziehungsverhältnisse. Die unbekannten Welten der Außenpolitik waren eigentlich nie die bevorzugte Spielwiese für tollkühne Männer in rollenden oder fliegenden Kisten, sondern seit jeher das traditionelle Betätigungsfeld für Menschen mit formvollendeten Manieren, einer erstaunlichen Selbstbeherrschung beim Mienenspiel und einem ausgeprägten Faible für endlose Konferenzen und Verhandlungsrunden. Anders formuliert: Außenpolitik war die längste Zeit ihrer Geschichte zu fad, zu kompliziert, zu mühsam, um politisch sexy zu sein.
Das war einmal. Mit Außenpolitik dieser Art beschäftigen sich allenfalls noch Beamte. Vor den Mikrofonen geben - sehr zur Freude der 24-Stunden-Infotainment-Gesellschaft - die Klartextredner, Rüpel und Pöbler in immer kürzeren Intervallen den diplomatischen Ton an.
Dabei zielte die Idee der "public diplomacy", also der öffentlichen Außenpolitik, ursprünglich auf die positive Beeinflussung ausländischer Öffentlichkeiten für die eigenen politischen Vorhaben, Werte und Ideale ab. Doch davon ist nichts mehr übrig. Außenpolitik ist heute die Fortsetzung der Innenpolitik mit gleichen Mitteln - und die bestehen nun einmal vorwiegend aus Halb- und Unwahrheiten sowie Attacken unter die politische Gürtellinie.
Eine Außenpolitik, der Durchbrüche wie die Helsinki Schlussakte, die maßgeblich zur Durchsetzung der Menschenrechte jenseits des Eisernen Vorhangs beigetragen und dafür jahrzehntelange Forderungen, eineinhalb Jahre Vorarbeiten und zwei Jahre tatsächlicher Verhandlungen benötigt hatte, ist heute unwahrscheinlicher denn je. Den notwendigen langen Atem bringt heute kein Staat und kein Staatenblock mehr auf. Dabei gäbe es Anwendungsbedarf zuhauf - in Europa und rund um uns herum.