Chinas Luftverteidigungszone sorgt für Streitigkeiten mit den USA.
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Peking. Zumindest Gary Locke freute sich, seinen alten Freund Joe Biden wiederzusehen: Der scheidende US-Botschafter in Peking hatte seinen Vizepräsidenten bereits bei früheren Besuchen in lokale Imbissstuben verschleppt, um Leckerbissen wie Bohnenmehlkuchen oder frittierte Innereien zu verkosten. Politisch gesehen dürfte diesmal ebenfalls schwere Kost auf dem Programm stehen, sind doch die Beziehungen zwischen China und den USA mit deren Bündnispartner Japan angespannt.
Der Streit um die unbewohnten Senkaku-Diaoyu-Inseln hatte sich zuletzt wieder zugespitzt, als China eine Luftverteidigungszone über dem Gebiet im Ostchinesischen Meer ausgerufen hat, was Japan und teilweise auch die USA ablehnen. Letztere durchflogen die Zone demonstrativ mit zwei B-52-Bombern, andere Staaten zogen nach. Jetzt wäre Fingerspitzengefühl gefragt, um die Krise zu entschärfen.
Gemessen daran gab sich der US-Vizepräsident am ersten Tag seines Staatsbesuches überraschend undiplomatisch: Unmittelbar nach seiner Ankunft am Pekinger Flughafen fuhr er zur Konsularabteilung der US-Botschaft, wo er sich bei den verblüfften und überwiegend jungen Chinesen für ihr Interesse an den Vereinigten Staaten bedankte. Biden hoffte, sie würden bei ihrem Besuch lernen, dass Erneuerung nur durch freies Atmen entstehe: "Junge Menschen werden in Amerika belohnt, wenn sie den Status quo herausfordern - und nicht bestraft. Der einzige Weg, etwas zu erneuern, ist es, die Form des Alten zu brechen."
Keine Floskeln
Das war ein ziemlich unverblümter Seitenhieb auf die autoritäre Amtsführung der chinesischen Regierung, die am alleinigen Machtanspruch der Kommunistischen Partei festhält. Einmal in Fahrt legte Biden noch einmal nach und forderte die chinesische Jugend dazu auf, ihre Regierung, Lehrer und religiösen Anführer zu hinterfragen: "Es gibt eine Sache, die in der DNA eines jeden Amerikaners verankert ist: eine inhärente Ablehnung der Orthodoxie." Diplomatische Floskeln sehen anders aus, dementsprechend schwankten die Reaktionen der Zuhörer zwischen Verwunderung und teilweise auch Verärgerung: "Die Amerikaner sollen lieber mal beim Pisa-Test besser werden, bevor sie sich über unsere Lehrer aufregen", sagte etwa ein junger Mann in Anspielung auf das überragende Abschneiden der Schüler in Shanghai.
Schon zuvor legte es Joe Biden auf der ersten Etappe seiner Asientour in Japan nicht darauf an, vor Peking einen Kotau zu machen. Bei einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Shinzo Abe sagte er, die USA seien "tief besorgt" über Chinas Provokation im Inselstreit mit Japan. Die Regierung in Peking streitet sich mit Tokio um unbewohnte Inseln, die in China als Diaoyu-Inseln und in Japan als Senkaku-Inseln bekannt sind. Die neue von Peking ausgerufene Luftüberwachungszone verursache neue Spannungen: "Wir betrachten es als einseitiges Bemühen, den Status quo im Ostchinesischen Meer zu verändern", sagte er und warnte vor Unfällen in der Zone, die sich mit ähnlichen Überwachungsgürteln anderer Staaten, etwa Japans, überlappt. Er forderte die beiden kontrahierenden Länder auf, einen Kommunikationskanal zu schaffen, um das Risiko einer Eskalation zu verringern. Anerkennen wollen die USA die neue Identifikationszone jedoch nicht, Militärflugzeuge würden diese weiterhin ohne Rücksicht auf China durchfliegen, wie ein mitreisender Spitzenbeamter bekräftigte.
Die Replik aus Peking folgte postwendend. In einem Leitartikel schrieb die staatseigene Tageszeitung "China Daily", Washingtons Haltung in dem Konflikt sei "falsch und einseitig": "Die USA haben sich offensichtlich auf Japans Seite geschlagen. Wenn sie wirklich bemüht sind, die Spannungen in der Region zu reduzieren, müssen sie zuerst aufhören, Tokios Spiel mit dem Feuer zu dulden." Das chinesische Verteidigungsministerium zeigte ebenfalls Muskeln und warnte, dass die Streitkräfte in der Lage seien, die Luftraumüberwachungszone "wirksam" zu kontrollieren.
Viel Gesprächsstoff also für den US-Vizepräsidenten beim gemeinsamen Abendessen mit Staatspräsident Xi Jinping. Allerdings stecken die USA bei Gesprächen mit ihrem größten Gläubiger China in jenem Dilemma, das die damalige Außenministerin Hillary Clinton in einer von Wikileaks veröffentlichten Depesche folgendermaßen zum Ausdruck brachte: "Wie redet man Klartext mit seinem Banker?" Joe Biden hat offensichtlich keine Probleme damit.