Eine Räumungsklage in Sankt Petersburg sorgt erneut für Zwistigkeiten zwischen Warschau und Moskau.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das Gebäude steht mitten im historischen Zentrum. Mit seiner stuckverzierten ausladenden Fassade fügt es sich prächtig in den alten Stadtkern, wo einander Barock, Klassizismus und Historismus treffen. Das polnische Generalkonsulat in Sankt Petersburg im Nordwesten Russlands ist ein repräsentativer Bau, mit rund dreitausend Quadratmetern Fläche in zwei miteinander verbundenen Häusern. Und nun steht es auch im Mittelpunkt eines diplomatischen Scharmützels, das sich Moskau und Warschau liefern. Vordergründig geht es um nicht bezahlte Mietrechnungen, ungeregelte Verträge und umstrittene Gerichtsentscheidungen. Doch dahinter schwelt der Zwist mit Russland rund um den Konflikt um die Ukraine, in dem Polen gern harschere Töne anschlagen würde als es andere - vor allem westeuropäische - EU-Mitglieder wünschen.
Der Streit um das Konsulat in Sankt Petersburg selbst zieht sich schon seit Jahren. Russland verlangt von Polen die ausstehende Miete für die Benutzung des Hauses; ein Schiedsgericht bezifferte die Summe für die letzten drei Jahre mit mehr als 73 Millionen Rubel, rund einer Million Euro. Die russischen Behörden argumentieren, dass die Polen schon seit 1993 hätten zahlen müssen, als ein gegenseitiges Abkommen über eine unentgeltliche Nutzung diplomatischer Einrichtungen seine Gültigkeit verlor. Da aber das Geld nicht geflossen ist, hat das Gericht vor kurzem auch noch ein Vollstreckungsurteil gefällt -was die Räumung des Gebäudes und die Ausweisung der Diplomaten daraus ermöglichen würde.
Das Außenministerium in Warschau hingegen erkennt die Richtersprüche nicht an. Das Konsulat könne nicht einmal Partei in einem Rechtsstreit sein. Doch wenn es tatsächlich zu einer Räumung kommen würde, würde dies internationale Gesetze verletzen. Die russische Seite müsse sich bewusst sein, dass im Falle einer Eskalation "adäquate Schritte" gesetzt würde, zitieren polnische Medien einen Ministeriumssprecher.
Warschau argumentiert damit, dass umgekehrt die Russen für Einrichtungen in Polen nicht zahlen müssen, was Vereinbarungen noch aus den 1970er-Jahren entspricht. Dabei wurden die von russischen Diplomaten genutzten Gebäude in das Eigentum des anderen Staates übertragen. Die Polen hofften darauf, dass im Gegenzug Moskau mit den Vertretungen Polens ähnlich verfahren würde. Das tat es aber nicht. Stattdessen kamen Jahre später die Zahlungsforderungen. Noch dazu hätte, nach polnischen Angaben, die Stadt Sankt Petersburg die Miete in einer absurden Höhe festgesetzt.
Daher hat Warschau auch schon angedeutet, dass es ähnliche Maßnahmen bei einigen Konsulaten Russlands ergreifen könnte. Die Einnahmen aus den entsprechenden, bisher nicht bezahlten, Mieten würden sich ebenfalls auf Millionen Euro belaufen.
Das diplomatische Tauziehen fügt sich in eine Reihe von Streitigkeiten zwischen Moskau und Warschau. Historische Zwistigkeiten gehören da ebenso dazu wie Importverbote, mit denen russische Behörden immer wieder polnische Produkte belegen. Dass es sich bei all dem nicht so sehr um Gebäude oder Lebensmittel dreht, scheint klar. Vielmehr geht es um eine Demonstration von Macht.