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Direktabsetzung statt Tarifermäßigung

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Den "2/2c" suchen interessierte Gesetzesleser vergeblich. Der neue Paragraph des Einkommensteuergesetzes war zwar im jüngsten Abgabenänderungsgesetz vorgesehen gewesen; noch in der Regierungsvorlage konnte man seine Formulierung und die dazugehörigen Erläuterungen studieren. Im Finanzausschuss des Parlaments wurde aber anders entschieden: "Die Änderung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird nicht gesetzlich umgesetzt, sondern in Form einer Übernahme der geänderten Rechtsprechung ohne Gesetzesänderung". Die Berücksichtigung ausländischer Verluste bei heimischen Steuerzahlern wird damit zur bloßen Verwaltungspraxis.


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Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes: Mit ihr hatte die sensationelle Wende bei der Auswirkung steuerlicher Auslandsverluste im Rahmen inländischer Einkommen Aufsehen erregt. In totaler Abkehr vom bisherigen Rechtsstandpunkt hatten die hohen Richter am Beispiel eines deutschen Betriebsverlustes doziert, dass der dortige Pleitebetrag beim beteiligten österreichischen Steuerzahler nicht - wie bisher - bloß im Wege eines "negativen Progressionsvorbehalts" zu berücksichtigen sei, sondern durch Direktabzug vom österreichischen Einkommen.

Nicht nur eine tarifliche Ermäßi-gung also, sondern für den Österreicher ein echter steuerlicher Absetzposten.

Andere VwGH-Auffassung

Der Meinungsumschwung im Gerichtshof ergab sich einerseits aus einer tiefschürfenden Neudeutung des österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens und andererseits aus der neuen Rechtslage nach dem EU-Beitritt Österreichs. Inzwischen ist dem brisanten Ersterkenntnis des VwGH vom 25.9.2001 (Zl 99/14/0217) ein weiteres gefolgt (99/15/0149), und aus Vorarlberg wird bereits ein erstes Berufungsverfahren gemeldet, das der neuen Rechtsansicht folgt. Die Überlegungen der Höchstrichter sind leicht nachvollziehbar. "Bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt werden Verluste aus einzelnen Einkunftsarten in der Regel ausgeglichen. Nur das Einkommen, also die saldierte Größe, wird der Besteuerung unterworfen. Etwas anderes kann aber auch für grenzüberschreitende Sachverhalte (unter Berücksichtigung der Doppelbesteuerungsabkommen) nicht gelten."

Dass der VwGH die Doppelbesteuerungsabkommen betont, hat seinen Grund: bei der neuen grenzüberschreitenden Verlustbetrachtung geht es in erster Linie um jene roten Zahlen, die nach der sogenannten "Befreiungsmethode" steuerlich im (verlustverursachenden) Quellenstaat verbleiben und im Wohnsitzstaat des betroffenen Steuerzahlers bloß "progressionsmäßig" erfasst werden. Dieses System erfährt nun eine Änderung.

Direktabsetzung für Auslandsverluste

Folgt man der Intention der Gesetzesformulierer, dann ergibt sich aus der neuen höchstgerichtlichen Betrachtungsweise - auch ohne ausdrückliche Legistik - folgende aktuelle Rechtslage:

- Ausländische Verluste sind bei der Ermittlung des Einkommens anzusetzen (das sind solche, deren Quelle in einer ausländischen Betriebsstätte gelegen ist).

- Werden solche im Inland angesetzte Auslandsverluste in späteren Jahren im Ausland steuerlich verwertet (das heißt: mit späteren ausländischen Gewinnen oder Überschüssen aufgerechnet), dann erhöhen sie insoweit in diesem Kalenderjahr auch den Gesamtbetrag der inländischen Einkünfte; es kommt also in Österreich in-soweit zu einer Nachversteuerung.

Nachversteuerung als Ausgleich

Diese Nachversteuerung ist einleuchtend: Es soll durch die Verlustverwertung - im Quellenstaat, aber auch durch Einkommensverminderung im Wohnsitzstaat - nicht zu einer immerwährenden doppelten steuerlichen Vorteilswirkung kommen. Daher soll es dann, wenn der Verlust im Ausland im Wege des Verlustausgleichs spätere ausländische Gewinne oder Überschüsse steuergünstig vermindert - zu einer parallel laufenden Nachversteuerung im Inland kommen.

Der Umstand der späteren Nachversteuerung im Inland ist in dieser Form aus dem VwGH-Judikat nur indirekt herauszulesen: Es muss sichergestellt sein, dass der im Ausland erwirtschaftete Verlust eben nicht doppelt verwertet werden darf. Diesem Grundgedanken wollte auch der Gesetzgeber im Entwurf zum 2. AbgÄG 2002 Ausdruck geben. Wobei sich freilich die Nachversteue-rungs-Regel sowohl zu Gunsten (etwa bei hohem Grenzsteuersatz im Ausgleichsjahr und niedrigem Grenzsteuersatz im Nachversteuerungsjahr), als auch zu Lasten des Steuerpflichtigen (etwa bei negativem Gesamteinkommen im Verlustentstehungsjahr) auswirken kann.

Möglicher Verlustverzicht

Der zunächst erfreulich empfundenen Wohltat durch den das heimische Einkommen vermindernden Auslandsverlust steht also ein möglicher späterer fiskalischer Hammerschlag gegenüber; ein Risiko, das sich weder zeitlich noch finanziell absehen lässt. Daher sah der ursprüngliche Gesetzentwurf auch einen freundlichen Ausweg vor: "Der Steuerpflichtige kann auf den Ansatz ausländischer Verluste verzichten". Im Klartext: Zur Vermeidung von unerwünschten Härtefällen besteht die Möglichkeit, auf den Ansatz der Auslandsdefizite zu verzichten, wodurch es auch zu keiner späteren steuerlichen Nacherfassung im Inland kommen kann.

Dieses schöne "Hölzel", das die Finanz dem Steuerzahler werfen wollte, ist zusammen mit dem eingestampften Paragraphen 2/2c untergegangen. Nur in einem versteckten Satz, im Protokoll der kürzlichen Einkommensteuertagung des Ministeriums, findet er sich wieder, sozusagen inoffiziell: "Es bestehen keine Bedenken, wenn Abgabepflichtige zur Vermeidung aufwendiger Nachversteuerungserfordernisse Auslandsverluste bei der Ermittlung der inländischen Besteuerungsgrundlage nicht geltend machen."