Umbau ist auch der orbánschen Ideologie geschuldet, die traditionellen Budapester Liberalismus als Feindbild aufbaut.
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Budapest. Viktor Orbáns Regierung hat alle Voraussetzungen geschaffen, um die lästige links-liberale Oppositionsinsel, die sich in der Hauptstadt Budapest konzentriert, vollends zu entmachten. Im Eilverfahren wurde dazu mit der parlamentarischen Zweidrittel-Mehrheit von Ministerpräsident Orbáns rechtsnationaler Fidesz ein Gesetz im Verfassungsrang durchgewunken, welches das bisher direkt gewählte Budapester Stadtparlament schlichtweg abschafft. Stattdessen sollen darin die Bezirksbürgermeister vertreten sein, der Oberbürgermeister und neun weitere Politiker, die über ein Reststimmenverfahren bestimmt werden.
Der Haken dabei ist: Derzeit werden 22 von 23 Budapester Bezirken von Fidesz regiert. Bleibt dies auch nach der nächsten Kommunalwahl im Oktober so, hätte das Stadtparlament nach dem neuen System nur einen Vertreter der Opposition - falls über die Reststimmen-Auszählung nicht doch noch einer hinzukommt. In der jetzigen 33-köpfigen Stadtversammlung sitzen immerhin zehn Sozialisten (MSZP) und drei Grün-Liberale (LMP) sowie drei Vertreter der rechtsradikalen Jobbik. Die 17 Fidesz-Stadträte haben eine knappe Mehrheit.
Der Protest dagegen war zunächst schwach. Die MSZP ist nach dem Rücktritt ihres Vorsitzenden Attila Mesterházy wegen der katastrophalen letzten Wahlergebnisse führungslos. Nur der MSZP-Bürgermeisterkandidat Csaba Horváth warf Orbán "einen offenen Kampf gegen Budapest" vor. Ihm sind auch Orbáns Pläne ein Dorn im Auge, mehrere Ministerien aus Budapest in die Provinz zu verlegen. Eine Aufwertung der Provinz mit solchen Mitteln wird zwar mit guten Gründen auch anderswo in Europa praktiziert. Im Fall Ungarn ist dies aber der orbánschen Ideologie geschuldet, die den traditionellen Budapester Liberalismus als Feindbild aufbaut.
Handfestere Kritik kam von drei Institutionen der Zivilgesellschaft, die sich an die Venedig-Kommission des Europarats wenden wollen. Die sehr kämpferische Bürgerrechtsorganisation TASZ, das Ungarische Helsinki-Komitee und das Eötvös-Károly-Institut für Öffentliche Politik beanstanden zwei Verstöße gegen demokratische Prinzipien, die auch die EU alarmieren sollten: Zum einen ist es unfair, ein solches Gesetz nur vier Monate vor einer Wahl zu ändern. Mindestens ein Jahr Vorlauf gilt als vertretbar. Zweitens werden durch die Neuregelungen die Wählerstimmen nicht gleichbehandelt. Die Stimmen der bevölkerungsärmeren, reicheren Viertel auf der Budaer Seite, die wahrscheinlich an Fidesz-Bezirksbürgermeister gehen, bekommen mehr Gewicht als jene der dichter besiedelten ärmeren Viertel, die links wählen. Dass mit dem Zuschnitt von Kreisen Wahlergebnisse beeinflusst werden können, hat sich schon bei der Parlamentswahl am 6. April erwiesen, bei der Fidesz mit weniger als 50 Prozent der Stimmen im Parlament auf eine Zweidrittelmehrheit kam. Die Opposition lieferte unter anderem Budapest: In acht von 18 Wahlkreisen gewannen linke Kandidaten.
Umstrittene Werbesteuer beschlossen
Bei einer anderen Novelle war der Aufschrei dafür heftig - sogar das Sprachrohr Viktor Orbáns, die Zeitung "Magyar Nemzet", hatte sich jüngst dem Protest angeschlossen. Doch es half nichts: Das neue Gesetz zu Besteuerung der Werbeeinnahmen der Medien wurde beschlossen. Wie üblich, im Eilverfahren und ohne nennenswerte Debatte. Demnach müssen Medienunternehmen mit mehr als 500 Millionen Forint (1,6 Millionen Euro) Umsatz bis zu 40 Prozent ihrer Werbeeinnahmen an den Staat abführen. Der Initiator, Fidesz-Politiker László L. Simon, hatte die Regelung damit begründet, dass die Werbung die Jugend verderbe. Das Gesetz trifft vor allem den profitablen, nicht von der Regierung kontrollierten Privatsender RTL Klub, der als einziger den Höchstsatz bezahlen wird. Hingegen wird der Konkurrent TV2, der einem Fidesz-nahen Geschäftsmann gehört, von dem Gesetz profitieren. Der eher klamme Sender wird seine Verluste teilweise von der Steuer abschreiben können.