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Dirty Campaigning

Von Walter Hämmerle

Analysen

+++ Persönliche Attacken sollen politische Gegner desavouieren. | Inhalte spielen | zunehmend weniger eine Rolle.


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Dünnhäutiges Spitzenpersonal kann sich die Politik schon längst nicht mehr leisten. Attacken, die direkt darauf abzielen, die politische wie persönliche Integrität des Mitbewerbers zu untergraben, gehören heute zum Strategierepertoire aller Parteien. Der Wettbewerb um die besseren Ideen und Konzepte spielt nur mehr am Rande eine Rolle. Die geballte politische Schlagkraft zielt auf die Desavouierung des Gegners ab. In den USA, dem Mutterland des professionellen Politik-Managements, nennt man das Dirty Campaigning.

Diese Entwicklung ist zwar auch in Österreich nicht gänzlich neu, hat aber doch in den letzten Jahren eine neue Qualität bekommen. Rücktrittsaufforderungen gehören mittlerweile fast schon zur Routine. Die Zahl der Misstrauensanträge gegen Mitglieder der Regierung grenzt hart an Inflation. Dass auf diese Weise die schärfste parlamentarische Waffe, die der Opposition zur Verfügung steht, entwertet wird, fällt nicht weiter ins Gewicht. Mit einer Mehrheit für den Antrag bzw. einem freiwilligen Rücktritt rechnet ohnehin niemand. Einziges Ziel ist die öffentliche Demontage eines Schlüsselspielers der anderen Seite.

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer ist in diesem Zusammenhang nur das jüngste Glied einer langen Kette seit dem Amtsantritt von Schwarz-Blau. Als erster stand Justizminister Dieter Böhmdorfer im Dauerfeuer der Kritik. Innerhalb kürzester Zeit war sein Image bleibend beschädigt.

Finanzminister Karl-Heinz Grasser geriet erst nach den Wahlen 2002 ins Dauer-Visier. Noch im Wahlkampf befürchteten SPÖ-Strategen, Attacken auf den telegenen Minister könnten das eigene Ansehen mehr beschädigen.

Auch die ÖVP hat es in der Strategie der persönlichen Desavouierung zu einiger Meisterschaft gebracht. Naturgemäß konzentrieren sich hier die Angriffe auf SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, dem kurzerhand die persönliche Eignung zur Kanzlerschaft abgesprochen wird.

Beide Parteien finden in den Archiven reichhaltiges Material für Ihre Strategien. Gusenbauers Moskauer Bodenkuss ist Bundeskanzler Schüssels Frühstücksaffäre. Profitieren können davon beide nicht, es geht nur darum, wessen Ansehen mehr darunter leidet. Mit inhaltlichen Konzepten will man die Bürger offensichtlich lieber nicht überfordern.

Nur die Grünen passen nicht ganz in dieses Muster - allerdings weniger was das Austeilen als vielmehr was das Einstecken betrifft. Bundessprecher Alexander Van der Bellen muss sich nämlich als einziger Parteichef kaum über persönliche Untergriffe ärgern. Die Konkurrenz scheut irgendwie vor allzu heftigen Attacken auf den meist besonnenen Uni-Professor zurück. Vor Vorwürfen wie Hasch-Trafiken und leeren Kuhställen bei einer allfälligen Regierungsbeteiligung hat aber auch dieser Umstand die Grünen nicht bewahrt.