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Experte: Urlauber gehen auch wegen Kleinigkeiten vor Gericht. | Die "Wiener Liste" hält die Beschwerden der Urlauber fest. | Die Liste ist Richtschnur für Urlauber, Richter und Veranstalter. | Wien. Sonne, Strand, Meer und vor allem Ruhe: Auf all das freute sich Familie Huber, als sie im Reisebüro einen zweiwöchigen Griechenland-Urlaub buchte. Doch es sollte anders kommen. Wegen des Disco-Lärms, der teilweise bis zwei Uhr morgens zu hören war, war es mit der Entspannung dahin.
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Zurück in Österreich, beschwerten sich die Hubers beim Reisebüro und verlangten einen Teil des Geldes zurück. Als das nichts half, gingen sie mit ihrer Beschwerde vor Gericht. Hier wurde entschieden, dass der Familie fünf Prozent des Urlaubspreises als Schadenersatz zustehen. Begründet wurde der niedrige Prozentsatz damit, dass im Prospekt ausdrücklich auf das Abendprogramm, das sechsmal pro Woche durchgeführt wird, hingewiesen wurde.
In einem ähnlichen Fall wurde den Betroffenen auch fünf Prozent Ersatz zugesprochen, da der Reisende auch mitunter wegen der Hitze aufgewacht ist und dann wegen des Disco-Lärms nicht einschlafen konnte. Aber nicht nur wegen lauter Musik, sondern auch wegen überfüllter Pools oder mangelhafter Klimaanlagen können Urlauber Schadenersatz erhalten.
Auch verlorene Fälle werden aufgezeigt
Gute Chancen für eine Entschädigung gibt es auch, wenn das Hotel in der Nähe des Flughafens liegt und nicht darauf hingewiesen wurde. Ein Urlauber erhielt dafür etwa eine Entschädigung von 30 Prozent zugesprochen. Doch woher weiß man, ob es sich lohnt, nach einem Urlaub wegen Mängeln vor Gericht zu ziehen?
Ein Blick in die "Wiener Liste" genügt. Hier werden alle Entscheidungen dokumentiert, die österreichische Gerichte bei Beschwerden zu Pauschalreisen getroffen haben.
Der Autor der Liste, Rechtsanwalt Eike Lindinger, verweist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" darauf, dass es sich bei der Liste um eine Sammlung von Entscheidungen und um kein Gesetz oder eine Verordnung handelt. Die Liste bietet aber wegen ihrer jährlichen Aktualisierung eine Richtschnur und Bandbreite möglicher Entscheidungsspielräume, die bei Beurteilung von Anspruchshöhe und Prozessaussichten - sowohl von Gerichten als auch Reisenden sowie Reiseveranstaltern herangezogen werden.
Interessant ist, dass auch Fälle festgehalten werden, bei denen der Kläger leer ausging. So wurde etwa der Klage, dass keine deutschsprachige Betreuung in einem Kinderklub vorhanden war, nicht stattgegeben. Allein wegen eines deutschsprachigen Reisekatalogs eines deutschen Veranstalters dürfe nicht auf deutschsprachige Betreuung geschlossen werden, lautet die Begründung.
"Frankfurter Tabelle" gibt ebenfalls Auskunft
Laut Lindinger ist es auffallend, dass Urlauber vermehrt probieren, "unheimliche Kleinigkeiten geltend zu machen". So wurde etwa versucht, Ersatz wegen einer kaputten Glühbirne zu erhalten. Viele Urlauber würden dabei nach dem Motto "10 Prozent sind immer drinnen" vorgehen. Wenn jemand eine Rechtsschutzversicherung habe, sei es für den Kläger sogar ein finanzieller Gewinn.
Neben der "Wiener Liste" gibt es die "Frankfurter Tabelle", die aufgrund von Gerichtsentscheidungen verpatzter Urlaube eine prozentmäßige Durchschnittsausmittlung dokumentiert.
Bevor die "Wiener Liste" 2006 ins Leben gerufen wurde, haben heimische Gerichte diese zur Orientierung verwendet. Inzwischen hat auch die Wiener Liste in der heimischen Rechtssprechung Fuß gefasst. Der Unterschied liege darin, dass es bei der deutschen Liste keine Bandbreite für die Entschädigungssätze gebe und diese seit 1985 nicht überarbeitet worden sei.