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Disco-Plan in Auschwitz sorgt für große Entrüstung

Von Eva Krafczyk

Politik

Warschau - Der Internationale Auschwitz-Rat, dem ehemalige Opfer des nazideutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau angehören, hat am Mittwoch bestürzt auf die Baugenehmigung für eine Discothek in Oswiecim (Auschwitz) reagiert. Er sei geschockt und verwundert, dass die Baugenehmigung ohne Absprache mit Historikern für einen Ort erteilt wurde, "der verbunden ist mit der tragischen Geschichte von Auschwitz-Birkenau", schrieb der polnische Außenminister und Vorsitzende des Rates, Wladyslaw Bartoszewski, in einer gestern veröffentlichten Erklärung. .


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Bartoszewski, der als junger Mann Häftling in Auschwitz war, forderte im Namen des Auschwitz-Rates, die polnische Regierung solle so schnell wie möglich eine Lösung des Problems finden. Zuvor hatten bereits das Simon Wiesenthal Center in Los Angeles und das Internationale Jugendbegegnungszentrum heftig gegen die geplante Discothek protestiert, die in der vergangenen Woche von den örtlichen Behörden genehmigt worden war.

Die Jugendbegegnungsstätte, in der vor allem deutsche und polnische Jugendliche mit Zeitzeugen diskutieren, befindet sich in unmittelbarer Nähe der geplanten Discothek. In Auschwitz-Birkenau ermordeten die Nationalsozialisten mehr als 1,1 Millionen Menschen. Die meisten der Opfer waren Juden. Das Vernichtungslager war von den Nationalsozialisten hier im Sommer 1940 errichtetet worden.

Ein Ort der Erinnerung ist seit Jahrzehnten das Museum auf dem ehemaligen Lagergelände von Auschwitz-Birkenau. Die wenigsten Besucher, die aus aller Welt kommen, um der Opfer des Holocaust zu gedenken, lernen auch die Kleinstadt kennen. Der lange Schatten der Vergangenheit liegt noch immer über Oswiecim.

Das zeigt sich seit mehr als einem Jahr in dem erbitterten Streit um eine Discothek, die in der Nähe der Internationalen Jugendbegegnungsstätte liegen soll. Für die Einen gehört der Tanztempel zum Recht auf Alltag, für andere symbolisiert die Disco einen makabren Tanz auf den Gräbern der Opfer. Das Gebäude, in dem die Discothek eingerichtet werden soll, liegt zwar mehr als zwei Kilometer vom ehemaligen Lagergelände entfernt und damit außerhalb der so genannten Schutzzone, die erst im vergangenen Jahr um das einstige Vernichtungslager und sieben andere Orte nationalsozialistischen Völkermords eingerichtet wurde, es handlet sich bei dem Gebäude aber just die einstige Gerberei, in der während des Zweiten Weltkriegs Auschwitz-Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten.

In der Jugendbegegnungsstätte diskutieren vor allem deutsche und polnische Jugendliche mit Zeitzeugen. "Es ist unsere moralische Pflicht, den lebenden Opfern der Tragödie diesen Anblick zu ersparen", meint Leszek Szuster, der stellvertretende Leiter der Begegnungsstätte. Auch ehemalige Auschwitz-Häftlinge halten den Bau einer Discothek an einem Ort, wo Zwangsarbeiter die Habe ermordeter Juden nach "Verwertbarem" sortieren mussten, für pietätlos. Trotzdem erteilte Adam Bilski, der Chef der Kommune, in der vergangenen Woche die Baugenehmigung.

"Junge Polen werde ermutigt, in unmittelbarer Umgebung des größten jüdischen Friedhofs der Geschichte zu tanzen", zürnte Rabbi Abraham Cooper vom Simon Wiesenthal Center in Los Angeles. "Auschwitz und seine unmittelbare Nachbarschaft muss für immer ein Ort der Stille und Nachdenklichkeit bleiben." Das Bauvorhaben sei eine "Obszönität, die ein sofortiges Einschreiten der polnischen Regierung erfordert".

"Die Menschen hier haben ein Recht auf ein normales Leben", begründet dagegen der Gemeindevorsteher Bilski die Baugenehmigung. In Medienberichten wehren sich Bürger von Oswiecim dagegen, dass ihnen "von außen vorgeschrieben wird, was wir dürfen und was nicht". Andere befürchten, dass der Ortsname wie ein Kainsmal wirkt und ausländische Investoren abschreckt. So wollte ein amerikanisches Schnellrestaurant eine Filiale in Oswiecim errichten. Der Plan wurde wieder fallen gelassen, weil sich die Konzernleitung Sorgen um internationale Reaktionen machte.